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Volltext: Zeitschrift für Ethnologie, 78/79.1953/54

  
Kleine Mitteilungen 141 
Gleichzeitig mit den archäologischen Arbeiten wurde eine Monographie der hier 
ansässigen, aber sehr unzugänglichen Eingeborenenbevölkerung der Paez geschrieben. 
Sie sind ethnographisch fast völlig unbearbeitet und nur noch in einem Dorf, Calderas, 
in einem abgelegenen Talkessel, relativ rein erhalten. Neben einem Vokabular von 
800 Wórtern nebst einer kurzen Grammatik und phonetischen Texten wurde eine fast 
100 Stück umfassende Sammlung eingetauscht und das tágliche Leben der Paez in 500 
Fotos festgehalten. 
Das Klima dieser Region, die 1000 m und hóher liegt, ist auBerordentlich gut. Nur 
in den Fluftálern und unteren Lagen herrscht Malaria. Die kolumbianischen Siedler 
haben größtes Interesse an der Urbarmachung und landwirtschaftlichen Nutzung dieses 
Gebietes; die Regierung jedoch schützt durch ein Gesetz die Eingeborenen, welches 
diese zu Minderjährigen macht, womit sie ihr Land nicht verkaufen kónnen. Die Paez 
sind Ackerbauer, bei denen jeder Herr und niemand Knecht ist. Sie leben in Einzel- 
gehóften, und die Dórfer bestanden ursprünglich nur aus den Festháusern und dem Haus 
der Gemeindevertretung, dem demokratisch gewählten Cabilde. Heute besitzt jedes 
Dorf zusätzlich eine Kirche und die meisten eine Schule und eine Missionsstation. Die 
Häuser sind rechteckig. In ihnen wohnt eine Familie sowie die jungverheirateten Söhne, 
die sich noch kein eigenes Haus haben bauen können. Zu jedem Gehöft gehört die 
Zuckerrohrmühle und das Menstrüationshäuschen. Das Hausgerät ist, wie die gesamte 
Kultur der Paez, sehr einfach. Es gibt weder Betten noch Stühle noch Bänke. Man 
findet weder Verzierungen an Chichaschalen, noch an Kalkkalabassen für den Coca, 
noch sonstigem Hausgerät. Die Kleidung ist einfarbig schwarz, der schónsten Farbe 
der Paez. Zeremonialkleidung sowie Schmuck wird nicht getragen. Die einzige 
Kunstfertigkeit der Männer besteht im Flechten von Strohhüten, die gleicher- 
weise von Frauen und Männern getragen werden, die der Frauen im Weben 
der Kleidung, im Flechten der Tragtaschen sowie im Weben der sehr schönen, mit 
geschmackvollen bunten Mustern versehenen Frauenwollgürteln sowie im Knüpfen der 
kleinen Wollumhängetäschchen, die mit bunten, geometrischen Mustern versehen sind, 
von denen Frauen und Männer je drei tragen, eins für Coca und Kalk, eins für das 
Arbeitsgerät (Männer: Material für Hüte; Frauen: Material zum Flechten der Taschen) 
und ein kleines für Geld. Die Hauptproduktion der Paez ist Mais und Zuckerrohr, 
ohne daß heute jedoch irgendwelche kultischen Riten, Dankfeste oder Zeremonial- 
handlungen bei Aussaat oder Ernte begangen würden. Dies stellt zweifellos eine Kul- 
turverarmung dar, hervorgerufen durch die jahrhundertelange Missionierungsarbeit. 
Die einzigen Jahresfeste sind kirchliche (Ostern, San Juan, Immaculata) Gesang und 
Tanz, die hervorstechendsten Betátigungen unter Naturvólkern, wurden nicht geübt. 
Obwohl die Paez eine sehr angenehm klingende eigenständige Musik (Trommel, Pauke, 
Querflöte und Triangel) ausführen, gibt es zu keinem einzigen der Musikstücke mehr 
einen Text. Mein Dolmetscher war selbst sehr überrascht, daß er mir ein besonderes 
Wort für ,Singhaus" sagen konnte. Der Feldbau ist nicht über den Grabstockbau hin- 
ausgekommen. Die Tierhaltung ist reiner Sport. Kastration oder planmáBige Zucht sind 
nicht bekannt. Die Nahrung bietet sehr wenig Abwechslung und besteht hauptsächlich 
aus Mais, Bohnen, Kohl, Juka und Aracacha. Fleisch sowie Fett wird, außer an Fest- 
tagen, nicht gegessen, Trotzdem sind die Paez kräftig und überdurchschnittlich groß. 
Männer von mehr als 1,70. Größe sind nicht selten. Als gute und ausdauernde Läufer, 
an Markttagen bis zu 12 oder 14 Stunden an einem Tag, gibt es keine dicken Leute. 
Die Verwaltung besteht in jedem Dorf aus einem demokratisch gewählten Rat, 
dessen Stárke je nach der GróBe des Dorfes schwankt. Jede Funktion, außer der des 
Kapitäns, wird auf ein Jahr gewählt. Einer einmaligen Wahl darf sich niemand ent- 
ziehen, während die Wiederwahl freiwillig ist. Von den heute unter den Paez benutzten 
Bezeichnungen für die Verwaltungsfunktionäre sind nur die des Gobernadors und 
Alcaldes Paezwörter, alle anderen spanische. Interessant ist, daß vier der Funktionäre 
je'ein Viertel des Dorfes, das einer Himmelsrichtung entspricht, vertreten. Der Kapitän 
wird auf Lebenszeit gewählt. Dieses Amt ist oft praktisch erblich, da die Ämter aus den 
Familien der alten Kaziken genommen werden. : : 
Die Familienorganisation ist patriarchalisch. Die Frau zieht — ohne jede Mitgift, 
als ihre personlichen Arbeitsfáhigkeiten — in das Haus des Mannes, zunáchst zu einem 
Probejahr vor der eigentlichen EheschlieBung. Die Verwandtschaftsnomenklatur ist 
bedeutend umfangreicher als die unsrige, wobei besonders die zahlreichen Anrede- 
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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