Zeitschrift für Ethnologie 115 (1990)
kreka und Caxwyn. Die Canela bringen diese „Einheit“ des Menschen mit dem Be-
griff /jz zum Ausdruck. Der Mensch ist demzufolge nur in dieser Einheit zum wahren
Denken, Fühlen, Handeln befähigt.
Ima Iji heißt „ich habe mich“ oder „ich bin eins“. Dieser Idealzustand wird aber
dem Menschen nicht in den Schoß gelegt. Der einzelne weiß sich in seiner Existenz be-
ständig einem Spannungsgefüge ausgesetzt. Die grundlegende Orientierung in seiner
kulturspezifischen Realität erfährt der Canela-Indianer in der Spannung der beiden
Kategorien Amy: Kin (Frohsinn, Glück) und Amji Krit (Traurigkeit, Stillstand).
Beide Kategorien schließen weitere Unterkategorien ein. In den Bereich Amji Kin
gehören: Wohlgeruch, Stärke, Härte, Widerstandsfähigkeit, Gesundheit, Schönheit,
Güte, Geschicklichkeit, Weisheit... Unter Amjı Krit ‚erscheinen: der üble Geruch,
Schwäche, Müdigkeit, Krankheitsanfälligkeit, Empfindlichkeit, Häßlichkeit, das
Übel, Dummheit, Tollpatschigkeit... Die Unterkategorien treten aber nicht in einer
hierarchischen Ordnung auf, sondern stehen gleichsam als Synonyme. Ist einem Phä-
nomen einmal eine Eigenschaft der Amji-Kin- oder Amji Krit-Kategorie zugewiesen
Tabelle 1. Welt-Ordnung der Canela als polares Spannungsgefüge
Zentrale
Ordnungskategorien Amji Kin Amji Krit
(Frohsinn) (Traurigkeit, Stillstand)
Stärke Schwäche
Gesundheit Krankheit
für
Mensch Wesen Einheit Zerfall
Leben Tod
Handeln Laufen, Singen Untätigkeit
Gesellschaft Gemeinschaft Vereinzelter
Umwelt Dorf Unbesiedelte Wildnis
Trockenzeit Regenzeit
Kosmos Sonne Mond A
> Eine eingehende Darstellung dieser zentralen Kategorien im Sinn- und Handlungssystem der Canela-In-
dianer: siehe Mehringer und Dieckert 1991.