Berichte und Kommentare
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Anthropos 92.1997
lassen. Das heißt, daß einige Politiker, die sich
nach dem Verbot offiziell auf die Seite des geg
nerischen Regimes stellten, dennoch den Diskurs
Nanyongas teilten und an die Heilkraft der Erde
glaubten oder zumindest geglaubt hatten.
Am 8. November schickte die Regierung, ver
treten durch den District Administrator (DA) von
Masaka, ein Team nach Sembabule, das feststellte,
daß Nanyonga trotz des Verbots weiterhin Erde
verteilte. Auf Fragen des DA erwiderte sie, eine
Stimme habe sie aufgefordert, die Erde zu ver
teilen. Die Stimme habe für sie höchste Autorität,
und ihr allein müsse sie gehorchen. Die Stimme, so
sagte sie, habe ihr versichert, daß niemand sie dar
an hindern könne, ihre Arbeit zu tun. Die Stimme
habe ihr außerdem versichert, daß sie sie vor jeder
Behinderung schützen wolle. “She specifically said
that whoever tried to interfere with her job of
distributing the soil would be dealt with by the
voice itself. With that she went back into the ditch
to distribute the soil and the DA and his team went
away.”
Gegen die weltliche Autorität der Regierung
behauptete Nanyonga hier die außerweltliche der
Stimme. Und sie machte deutlich, daß sie nicht
eigentlich selbstverantwortlich handelte, sondern
im Auftrag der außerweltlichen Instanz der Stim
me. Sie verwies damit auf eine kosmologische
Dimension in ihrem Diskurs, die im wissenschaft
lichen Diskurs der Regierung ausgeschlossen war.
Indem sie sich als handelndes Subjekt entmäch-
tigte, ermächtigte sie jedoch die außerweltliche
Instanz der Stimme. Und sie drohte mit deren
Macht zu strafen.
Im Exposure vom November 1989 nahm sie
Stellung zum gegnerischen Regime und erklär
te “that her soil cures people miraculously, not
through modern science. But to be cured you must
live a righteous life, say prayers for repentance
... even then cure is not a guarantee ... It is
believed to be miraculous soil. It is not the kind
of medicine one would put in a test tube, boil and
expect a reaction after adding some chemicals to
test what it can, and what it cannot cure. Thus,
those medical researchers who are hopeful of pro
viding that there is or there is no curative element,
will be disappointed to find that it does not
have curative elements in the sense of today’s
medicine.” Nanyonga behauptete hier die In-
kommensurabilität beider Regimes. Gegen den
naturalisierten Krankheitsbegriff des Gesundheits
ministeriums setzte sie eine Vorstellung von Krank
heit, die den Körper nicht auf ein Ding reduzierte,
sondern ihn für einen Teil einer Kosmologie nahm,
in der verschiedene Mächte wirksam werden konn
ten. In dieser Kosmologie fanden Krankheiten ihre
Ursache weniger in der Dysfunktion irgendwelcher
Organe des Körpers. Es waren vielmehr Verstöße
gegen die moralische Ordnung, die das Leiden
hervorbrachten. Die Krankheit war Strafe, und sie
konnte nur durch ein moralisches Leben geheilt
werden.
In ihrer Entgegnung verfolgte sie denn auch
eine doppelte Strategie. Einerseits verteidigte sie
ihre Wahrheit, die auf dem Glauben beruhte. An
dererseits versuchte sie aber auch, die Wahrheit
ihres Glaubens empirisch abzustützen. Im The New
Argus vom 29.11.1989 erklärte sie in einem In
terview: “Let the authorities come and identify
themselves together with some patients and if
the soil does not work, then I will oblige with
the government directive. Those people came but
when they were given the soil, I think they did
not take it for they thought that the soil was un-
hygienic, then how could the drug work without
taking it?” Damit machte sie deutlich, daß das Ge
suchte, nämlich heilende Substanzen, in der Erde
nicht zu finden seien, weil allein der Glaube die
heilende Wirkung erzeugte. Die auf dem Glauben
beruhende heilende Wirkung war sie jedoch be
reit, empirisch nachzuweisen. Sie versuchte hier
also, eine Strategie der Produktion von Wahrheit
des gegnerischen Regimes zu übernehmen, indem
sie die Wirkung ihrer Medizin rationalisierte und
ihrerseits objektivierend auf Empirie verwies.
Im Prozeß der Konfrontation integrierte sie
außerdem zunehmend Strategien der Macht, die
mit Hilfe von Verschriftlichung ihre Wahrheit zu
unterstützten suchten. So ließ sie Listen mit den
Namen derjenigen zirkulieren, die von der Erde
geheilt worden waren. Und ein von Nanyonga
geheilter Patient erschien im Büro der Regierungs
zeitung New Vision, um Zeugnis von der Heikraft
der Erde abzulegen. Sein Bericht wurde gedruckt
und erschien in der Ausgabe vom 24.10.1989.
Das Ende
Die Regierung verzichtete auf ein gewalttätiges
Vorgehen gegenüber Nanyonga und gewann den
noch den Kampf um die Macht. Der wissenschaft
liche Diskurs, engstens verbunden mit der Macht
der Regierung, trug nicht zufällig den Sieg da
von. Nach dem Tod der Nichte Nanyongas Anfang
November flaute die Begeisterung für ihren Kult
stark ab. Die Kampagne der Regierung und vor
allem der Tod der Nichte setzten sich als Wahr
heitswirkungen im Innern des religiösen Diskurses
durch, obwohl sie an sich weder wahr noch falsch