180
Buchbesprechungen
den Buschmännern stets das besondere In
teresse der Afrikanistik erregt.
Es handelt sich um Klein-(nicht Zwerg-)
wüchsige mit Pfefferkornhaar, die eine mit
Schnalzlauten ausgestattete Sprache besitzen.
Auf seinen Expeditionen in den Jahren
1932, 1934/36 und 1937/39 hat sich Ludwig
Kohl-Larsen der Hadzabi mit besonderem
Verständnis angenommen und wurde dabei
zum besten Kenner, dieses zusammen mit den
Wahl kaum 600 Köpfe zählenden Völk
chens.
Was er uns in den beiden Bändchen vor
legt, ist eine epische Wortkunst, der Sagen
schatz und die Überlieferung, die er mit un
ermüdlicher Geduld Schwungwitscha, dem
großen Jäger und Führer seines etwa 60
Menschen umfassenden Verbandes, abge
lauscht hat.
Die Hadzabi, die auch im Kulturellen mit
den Buschmännern erstaunliche Überein
stimmungen zeigen — es sei nur an den zu
sammengesetzten Pfeil mit der tangentialen
Befiederung und an die Sandalen erinnert,
an den Windschirm und an die aus Ruten
hergestellte Rundhütte, sowie an das Pfeil
gift aus einer Strophantus-Art — haben als
einziges Haustier den Hund. Ihre Frauen
sammeln Früchte, Knollen und das Brenn
holz, sie tragen auch die Straußeneier ins
Lager und bauen die Hütten. Die Männer
sind Jäger, die Pfeil und Bogen, sowie die
Sandalen selbst verfertigen.
Eisen für die „männlichen“ und „weib
lichen“ Pfeilspitzen, sowie Töpfe erhalten sie
von den benachbarten Issansu, denen sie sich,
wie die Sagen zeigen, offenbar eng verbun
den fühlen, so daß man ein altes Zusammen
leben annehmen muß, wie es in noch enge
rer Form von den Pygmäen und ihren Ne
gerpflanzern bekannt ist.
Der Gehalt dieser mündlichen Überliefe
rungen erweist sich als sehr komplex. Zu
nächst ist in der Religion das ausgeprägte
Kausalbedürfnis hervorzuheben, das logischer
weise in Ischoko oder Ischoye, einem solaren
hochgottartigen Wesen gipfelt — eine Ent
sprechung zum Kaang, Khu oder Thora der
Buschmänner.
Ischoko war der, der die Lebensordnung
schuf und ist der im Grunde Allmächtige.
Mit der Gestalt von Haine, offensichtlich
ein lunares Wesen, das teils als Frau Ischo-
kos, teils als männlich bezeichnet wird — er
folgt eine gewisse Durchbrechung des klaren
Eingott-Prinzips. Haine handelt nicht nur im
Auftrag Ischokos, sondern auch aus eigenem
Antrieb. So erscheint er mehrfach als
Heilsbringer. Unterhalb Haine steht als ei
gentlicher Demiurg Indaya, der z. B. den
Hadzabi Pfeil und Bogen brachte.
Die Beziehungen zwischen Ischoko, Haine
und Indaza sind jedenfalls nicht immer klar
und eindeutig.
Beziehungen zwischen der Gestalt Haines
und der Hises der Naron-Buschmänner, der
ebenfalls Menschen in Tiere verwandelt und
gleichfalls in Gestalt der beiden Geschlechter
erscheint, sind nicht zu übersehen.
Dagegen fehlen Haine die amoralischen
Eigenschaften des „göttlichen Schelms“. Hise,
stellt das personifizierte Zufallsprinzip dar
und erweist sich gerade darin als echte
jägerische Vorstellung.
Corporistische (prä-animistische) Vorstel
lungen treten sehr betont auf. Zwar hat
Ischoko verfügt, daß, wer gestorben sei, nicht
mehr wiederkehren dürfe, „gestorben ist ge
storben“. Aber zaubermächtige Personen,
wie z. B. der Häuptling Ududai, obwohl rich
tig in der Erde bestattet, kehrten wieder,
fraßen Unrat und vor allem Menschen.
Alle Wiedergänger sind Menschenfresser.
Sie müssen daher endgültig getötet werden.
Wenn dies nicht gelingt, dann greift Ischoko
ein und verwandelt die Betreffenden in
Pori-Tiere.
In den gleichen Bereich, allerdings nur
einmal berichtet, fällt die Erschaffung der
Tiere, Gräser und auch des Wassers aus den
sorgfältig zusammengesetzten Gebeinen ei
nes aufgegessenen Kindes durch eine Zau
berer.
Das Zaubern spielt nach den Quellen keine
überwältigende Rolle — aber es ist natürlich
da. Die Form, in der sich die Zauberkraft
bevorzugt manifestiert, ist das selbständig
handelnde Horn, das den Schädel des Ge
meinten spaltet und ihn tötet. Wer aber das
Horn zu zertrümmer vermag, und mit Feuer
und einer Medizin richtig handelt (zugleich
Regenzauber), erweckt den Getöteten wieder
zum Leben.
Sehr bedeutsam sind die Erzählungen von
den Sehern. Sie bestätigen eine Haltung, die
in der Fachliteratur meist übersehen wird
und auf die von Paul Radin in so kluger
und kritischer Weise hingewiesen worden
ist, nämlich die Skepsis gegen diese feinfüh
ligen Mitglieder der Gruppe. Sie werden