Buchbesprechungen
187
tet. Der zweite Band bringt in seinen drei
Büchern eine ganz andere Gliederung. Im
ersten werden neue Quellen mustergültig vor
gelegt. Das zweite Buch enthält eine Reihe
von Einzeluntersuchungen, teilweise von sei
nen Mitarbeitern (so z. B. die hübsche Studie
über die Proskynesis in Iran). Erst das dritte,
wenig umfangreiche, enthält die Auswertung
der Quellen: eine Darstellung der Hephtha-
liten, der eine Zeittafel der äußeren Ereig
nisse vorangestellt ist. Ein Anhang mit Nach
trägen (zu beiden Bänden) und ein Abbil
dungsteil ergänzen auch diesen Band, dem
wie dem ersten aus Altheims Eiand ein gutes
Register beigegeben ist.
Wenn A. auch viele verschiedene Wissen
schaften mit ihren Ergebnissen und Fragen
heranzieht, so gewinnt er den Großteil seiner
Ergebnisse doch mit Hilfe philologischer Un
tersuchungen und Überlegungen. Zweifellos
hat die Sprachwissenschaft vielerorts entschei
dend zur Klärung historischer und frühhisto
rischer Probleme beigetragen, aber angesichts
all der Kontroversen, die A. gerade auf die
sem Gebiet vorträgt, erscheint es nicht so ganz
sicher, daß die Philologie etwa gegenüber der
Ethnologie oder Archäologie als „die exakte
Geisteswissenschaft“ anzusprechen sei, min
destens nicht dort, wo das linguistische Mate
rial knapp ist und überdies die Zahl der Ge
lehrten innerhalb einer bestimmten Sparte
klein.
Wie sieht Altheims Bild der Hunnen
geschichte aus? Seit etwa 160—170 n. Chr.
Geb. bezeugen antike Schriftsteller Hunnen
südlich des Asowschen Meeres. Sie sind ein
kleiner, von Zentralasien herübergesprengter
Stamm, vorläufig ohne jede Bedeutung. Ge
wicht erhalten sie erst durch den Zuzug von
Stammesverwandten nach der Mitte des vier
ten Jahrhunderts. Diese sind gleichfalls aus
Zentralasien herübergekommen, und zwar
auf dem Nordweg, südlich — teilweise auch
nördlich — am Altai vorbei, durch die
Dsungarei, das Baikaschgebiet und die Kir
gisensteppe. Hier gabelt sich der Weg; ein
Teil zieht am Westtienschan nach Süden, un
terwirft hier iranische Nomaden, die Chioni-
ten, und macht sich zum Herrn eines Gebie
tes nördlich des Oxus, besonders im Raum
Buchara-Samarkand. Diese Hephthaliten ge
ben ihre ursprünglich türkische Sprache und
ihre angestammte Kultur bald auf, gehen
ganz im Iraniertum auf, wenigstens die Her
renschicht in den festen Siedlungen und Städ
ten. Andere Teile, vor allem die im Norden,
bleiben nomadisch. Nach dem Ende der
Hephthalitenherrschaft ziehen diese noma
dischen Gruppen nach Westen, wo sie in
Europa in der zweiten Hälfte des 6. Jahr
hunderts und um 600 als Pseudo-Awaren,
Protobulgaren und Chazaren auftreten. Sie
folgen dabei Wegen, die schon jener andere
Teil der „Hunnen“ in der zweiten Hälfte
des 4. Jhd. gegangen war: von der Kirgisen
steppe aus nach Südwesten in den Raum
zwischen dem Kaukasus und die Untcrläufe
von Don und Wolga. Hier sammeln sich die
Hunnen vor ihrem Stoß gegen die Ostgoten,
die Westgoten und dann Europa. Sie gehen
ihrerseits Wege, die vor ihnen schon die Ala
nen gezogen waren, die im Turan, im Kau
kasusvorland und in Südrußland gewisser
maßen Quartiermacher der Hunnen gewor
den waren und später in deren Verband
kämpften.
Das ist das Bild, das A. noch mit unend
lich vielen und wichtigen Details ausmalt.
Wie Mänchen-Helfen kommt A. zu der
Überzeugung, daß Hunnen und Hsiungnu
(der chinesischen Quellen) nichts miteinander
zu tun haben. Seine Hunnen sind vielmehr
ein von den Chinesen „hun“ genannter
Hsienpi-Stamm In Jehol, der um 300 n. Chr.
Geb. die Ostmongolei beherrschte. Sie sind
Türken und stammen letztlich wohl aus der
Heimat der Türken östlich des Baikal, viel
leicht aus Otükän selbst.
Hierzu ist verschiedenes zu bemerken: Ein
mal ist die Heimat der Türken aller Wahr
scheinlichkeit nach nicht das Gebiet östlich
des Baikal, sondern liegt weiter im Westen,
im Altai und östlich davon. Für das Gebiet
östlich vom Baikal nennen chinesische Quel
len der fraglichen Zeit als Bewohner „Shih-
wei“, mongolische Völker also, nicht Türken.
Auch die „Geheime Geschichte der Mongo
len“, nennt als Bewohner dieses Raumes nur
Mongolen. Aber das ist für die Gesamtfrage
relativ belanglos. Wichtiger erscheint etwas
anderes: Wie die Hsiungnu waren auch die
Hsienpi keine Türken. Beide stammen offen
bar aus dem Chingan-Gebiet, wo nie Türken
gesiedelt haben. Wenn die Hun der chinesi
schen Quellen realiter ein Hsienpi-Stamm
gewesen sind, dann waren sie Verwandte
der Hsiungnu. Das gilt auch für die T’opa,
von denen wenigstens ein Teil nach der Mei
nung von A. und Bazin ebenfalls als Hun