Buchbesprechungen
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ren gegeben hat, vielleicht sogar in eigen
ständiger Entwicklung. Er billigt dieser Ware
(die vor allem in Nordwesteuropa und Süd
rußland auftritt) aber keine allzu große Be
deutung für die Geschichte des Neolithikums
zu. — Andererseits gibt es weite Gebiete,
in denen ein präkeramisches Neolithikum
über lange Zeit hinweg existiert haben muß,
nämlich im südlichen Balkan, in Vorder
asien, Süd- und Ostasien und im westlichen
Amerika. Offenbar liegt die eigentliche
„Neolithisierung“, der Beginn von Pflanzen-
und Tierzucht, vor einer weltweiten Aus
breitung der Töpferei, die aus dem östlichen
Sudan stammen könnte und wahrscheinlich
erst größere Bedeutung erlangte durdi die
jetzt aufkommende Vorratswirtschaft und
durch das Auftreten neuer Nahrungsmittel
und die Notwendigkeit, diese durch Kochen
für den menschlichen Genuß zu erschließen.
Smolla wendet sich dann dem Steinschliff
und verwandten Techniken zu. Er stellt fest,
daß der Schliff in Ansätzen bereits im Jung-
paläolithikum geübt wurde, wo vor allem
Knochen- und Horngeräte angeschliffen
wurden. Während er für die Keramik die
Frage nach der ein- oder mehrmaligen Er
findung offen lassen muß, nimmt er für den
Steinschliff die Möglichkeit mehrmaliger Ent
wicklung mit ziemlicher Sicherheit an. Vor
allem an Hand ethnographischen Materials
untersucht er die Funktionen verschiedener
Beilformen und kommt zum Schluß, daß
Beile schon in der vorneolithischen Zeit vor
allem zum Fällen von Bäumen und zur Holz
bearbeitung gedient haben müssen, in der
neuen Wirtschaftsform und bei zunehmender
Bewaldung aber eine immer wichtigere Rolle
zu spielen hatten. Es fällt auf, daß alle vom
Autor untersuchten Beilformen (Walzenbeil,
Schuhleistenkeil, Kern- und Scheibenbeil,
Spitzhacke) frühneolithisch sind und außer
dem Walzenbcil alle mesolithische oder jung-
paläolithische Vorgänger in Knochen, Horn
oder Stein haben. Der Autor sagt, daß die
Wurzeln des Steinschliffs weithin unabhängig
seien von der neolithischen Wirtschaftsform,
daß diese aber bessere Voraussetzungen für
die Herstellung von geschliffenen Felsgestcin-
beilen und einen größeren Bedarf an Beilen
überhaupt mit sich bringe: Rodung und Haus
bau verlangten brauchbare Geräte und ver
banden so das Beil eng mit dem Neolithikum,
enger noch als die Keramik, die doch viel eher
ein Kind des Neolithikums sei.
Im anschließenden Kapitel beschäftigt sich
Smolla mit der neolithischen Silexindustrie
und der Möglichkeit einer Kontinuität seit
dem Jungpaläolithikum. Er zeigt hier, daß
die oft betonte Übereinstimmung jungpaläo-
lithischen und neolithischen Silexmaterials
sich auch ohne Annahme waghalsiger Hypo
thesen aus der Funktion der Geräte und den
Gegebenheiten des Werkstoffs erklären läßt,
daß zum anderen ein grobgerätiges Meso
lithikum mit Kernbeilen als vorneolithische
Schicht wahrscheinlich eine größere Ausdeh
nung und Bedeutung hatte. Diese Industrie
könnte von Gruppen getragen worden sein,
die den wahrscheinlich hochspezialisierten
Mikrolithikern gegenüber in ihrer Wirtschaft
breiter angelegt gewesen wären (evtl, auch
Fischergruppen).
Im nächsten Kapitel untersucht der Autor
Verbreitung und Geschichte von Frauen
statuetten, Spiralen und Mäandern. Er glaubt
nicht, daß die Frauenidole des Neolithikums
genetisch mit den Venusstatuetten des Magda-
lenien und des östlichen Aurignacien Zusam
menhängen, obwohl er die Möglichkeit nicht
ausschließen kann. Seine „neolithische Idol
region“ deckt sich mit dem „Raum der sich
bildenden Hochkulturen“, die man bisher ge
meinhin als Dorfkulturen im Alten Orient
bezeichnete. Hier sollen die Idolplastiken zu
den frühesten Ausdruckformen der sich bil
denden Kultur gehören und könnten ihre un
bestreitbare Ähnlichkeit mit den „Venus
statuetten“ im wesentlichen der beidesmali
gen Betonung der Polarität der Geschlechter
verdanken, wobei sie in den beiden sicher
verschiedenen Kulturgefügen durchaus ver
schiedene Funktionen gehabt haben können,
wie ja auch Handcar und Narr meinen. Ähn
lich glaubt Smolla, daß auch die schon im
Paläolithikum aufgetretenen Spiral- und
Mäanderornamente genetisch nicht mit den
frühesten neolithischen Spiralen und Mäan
dern Zusammenhängen brauchen.
Die Frage der Haustierzucht reiht sich an.
Bei der Diskussion einer Renzucht im
Paläolithikum stellt sich der Autor auf die
Seite Jettmars. Obwohl er das örtliche Vor
kommen einer Renhaltung im Jungpaläolithi
kum nicht völlig ausschließen will, glaubt er
dieser doch mit Recht keine Bedeutung für die
spätere Entwicklung zubilligen zu können.
Den Haushund leitet er (mit Boessneck)
von kleinen indischen Wolfsrassen ab, läßt
aber die Frage offen, ob durch Anregung von