Buchbesprechungen
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vom Stil her keine Beziehungen erkennbar
seien, so muß dem widersprochen werden, da
gerade die Malereien aus dem lybischen Be
reich (Gilf und Auenat), aber teilweise auch
aus den Bergländern weiter südlich und west
lich, bis zur Identität den ostspanischen
ähneln.
Lhote, der anschließend Nordafrika be
handelt, bestreitet allerdings diese Beziehung
und hält ihre Mutmaßung für unwissenschaft
lich. Befangen in seinen Entdeckungen unge
wöhnlich reicher Fundplätze in den Tassili-
Bergen, die uns eine Fülle und Vielfalt neuen
Materials geschenkt haben, sieht er diese
Malereien als einen so schwergewichtigen
Mittelpunkt, daß ihm demgegenüber alles
andere verblaßt und unwichtig wird. In sei
nem Buch „Die Felsbilder der Sahara“, Würz-
burg-Wien 1958, das einen extrem farbigen
Bericht und ersten Versuch der Materialein
ordnung bringt, schreibt er, daß die Zusam
menfassung der Unterlagen noch Jahre dauern
wird. Ist es da nicht verfrüht, diese noch ganz
im Fluß befindliche Forschung zum Ausgangs
punkt einer allgemeinen Betrachtung zu ma
chen? Kann man die Felsbilder an der tu-
nesisch-lybischen Grenze enden lassen, ohne
so reiche und wichtige Vorkommen wie die
aus Fezzan, aus dem Gilf, dem Auenat oder
der nubischen Wüste nur heranzuziehen?
Schon 1939 hat H. Winkler die nil-nahen
Felsbildfunde zu einem auch heute im ganzen
noch brauchbaren Datierungsversuch benutzt,
weil er sie zur prädynastischen Kultur Ägyp
tens in Beziehung setzen konnte. Da die Vor
zeit die heutigen, am Fineal gezogenen Gren
zen der Wüste nicht kannte, sollte die mo
derne Wissenschaft — frei von nationalen
und sonstigen Befangenheiten — sie gleichfalls
verleugnen.
Vielleicht am aufregendsten, aber auch am
anfechtbarsten ist der Beitrag von Holm über
die Felskunst im südlichen Afrika. Holm ist
Archäologe und gebürtiger Südafrikaner. Er
hat seine Jugend und einen großen Teil seines
Febens in Südafrika verbracht und häufig
unter Buschmännern gelebt, deren Vorstel
lungswelten ihm vertraut sind. Kaum jemand
könnte daher geeigneter sein, dieses Thema
erfolgreich anzupacken als er, zumal Ihm
zahllose Felsbilder durch eigene Forschung
bekannt sind. Der Versuch, sie aus der Mytho
logie der Ureinwohner des Gebietes zu er
klären und zu deuten, mußte einem so geist
vollen Manne verführerisch erscheinen, und es
ist zugegeben, daß ein solches Beginnen viele
Möglichkeiten öffnet. Zugleich öffnet sich aber
auch der Weg einer uferlosen Spekulation. Es
sei Holm zugestanden, daß er gründlicher und
tiefer als viele in die Buschmann-Mythologie
eingedrungen ist, und daß ihm deshalb deren
Vorstellungsverbindungen geläufiger sind als
anderen. Es ist ihm selbstverständlich, daß die
Mantis (die Gottesanbeterin = Verkörperung
der Sonne) als Giraffe dargestellt wird, weil
diese beim Trinken die Vorderbeine knickt
und damit der Mantis ähnlich sieht. Eine
wundervolle Elengravierung mit völliger Flä
chenpunzung und in großartigstem naturali
stischem Stil deutet er wie folgt: „Auf jeden
Fall wird die besondere Fiebe, mit der das
Fell in unserer Gravierung behandelt wurde,
in der propädeutischen Überlieferung vielfach
und deutlich motiviert. Die Fegende von der
Erschaffung der Elen — durch die Sonne-
Mantis aus einem ins Wasser gelegten Schuh —
betont, wie die Mantis das Fell des wachsen
den Fieblings mit Honigseim salbt, damit es
schön glänzen möge. Was also der Künstler
durch seine besondere Ausführung betonen
wollte, war vor allem das Gleichnis des zur
Fülle gedeihenden silberleuchtenden Mondes,
und diese Vorstellung läßt sich durch kein
anderes Bild so schön vermitteln wie durch
das des still äsenden, herrlichen Tieres in dem
honigsamtenen Kleide.“
Es ist ihm auch natürlich, daß auf kanta-
brischen Bildern die Mantis durch den Bison
ersetzt wird, und er nimmt weltweite und
zeittiefe Beziehungen zwischen Südafrika und
Europa als selbstverständlich gegeben, wobei
Ihm wohl Südafrika als das ältere erscheint,
wenn es auch manchmal den Eindruck macht,
als ob das Zeitproblem für ihn nicht existiere.
Wie bedauerlich, daß der Archäologe Holm
nicht stärker sich zum Wort meldet! Schade
auch, daß hinter dieser von der Mythologie
ausgehenden Betrachtung jeder andere Ver
such einer Ordnung, sei er nun stilistischer,
geographischer oder chronologischer Natur,
verschwindet. Betrüblich endlich, daß eine so
faßbare und eindrucksvolle Erscheinung wie
der Sakralstil Südrhodesiens nicht zur Dar
stellung gekommen ist. Sicher wird die Deu
tung südafrikanischer Felsbilder aus der
Buschmann-Mythologie viele Aufschlüsse brin
gen, möglicherweise auch für die Felsbilder
anderen Ortes. Es ist eine legitime Methode,
die Geistigkeit noch lebender Altvölker für
die Erklärung von Phänomenen der Vorzeit