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BESPRECHUNGEN UND BÜCHEREINGÄNGE
wie auf geistigen — in Zukunft mit dem Schicksal der
Wissenschaft verbunden ist. Demnach betrachtet er
Glauben und Sitten der Völker, denen sein Buch gewid
met ist, nicht als ein irrationales Bedürfnis der Mensch
heit, sondern als eine Kette von Irrtümern primitiver
Denkart, die aufzudecken das Ziel seines Buches ist, so
sehr er auch zuweilen geneigt ist, dem romantischen, un
wiederbringlich verlorenen Inhalt eine Träne nachzu
weinen. Den evolutionistischen Gedanken entspricht es
nun auch, daß er, wie bekannt, es als wahrscheinlich hin
stellt, die Magie sei der Religion, dem Glauben an Götter,
vorausgegangen, indem der Mensch allmählich ein
gesehen habe, daß die menschlichen Kräfte nicht aus
reichend seien, die großen Veränderungen in der Natur
hervorzubringen, und daß es demnach besondere Wesen
dafür geben müsse. Die Magie ist ihm daher eine Art
primitiver Wissenschaft, und die Tiefen der Religion
bleiben für ihn kein Rätsel. Die geschichtliche Seite von
Glauben und Sitte zu behandeln, liegt ihm fern — sie
zu verfolgen wäre auch im Rahmen eines solchen Buches
schwer genug gewesen — er nimmt vielmehr seine ver
gleichenden Beispiele zur Erklärung aus allen Zeiten und
Völkern, wo er solche findet.
Fragt man sich nun aber, ob seine Anschauungsweise
und Methode, die heute von vielen Ethnologen nicht mehr
geteilt wird, ihn etwa verhindert habe, zu bleibenden Er
kenntnissen zu gelangen, so muß man im Gegenteil bei
der Gewissenhaftigkeit seiner Forschung anerkennen,
daß gerade „der goldene Zweig“ teils eine Reihe ge
sicherter Ergebnisse, teils wenigstens Hinweise zur Er
klärung aufweist, die man auch weiterhin immer wieder
anwenden wird. Dahin gehört z. B. der Grundzug des
Buches, dem zufolge das im König oder Priester oder sonst
in einer Person, einem Tier oder Symbol verkörperte
Naturwesen durch Tötung auf der Höhe der Kraft er
halten wird. Solche imitative Magie hat sich z. B. in
Mexiko zur Erklärung gewisser Arten der Opfer trefflich
bewährt. Freilich werden diese Dinge von Frazer gewisser
maßen nur im Groben herausgemeißelt: das Verständnis
der Götter oder ihrer Verehrer erfordert viel mehr und
namentlich nicht nur Gedankenfeststellung, sondern reli
giöses Eindringen. Andererseits wird man z. B. seine Er
klärung von Tod und Auferstehung des Jünglings bei der
Initiation zur Zeit der Geschlechtsreife, die nach ihm vor
allem bei totemistischen Stämmen Vorkommen soll, als
zu speziell und rationalistisch ansehen. Er meint nämlich,
der Knabe sterbe als Mensch und werde als Tier wieder
geboren, indem die beiderseitigen Seelen gewissermaßen
ausgetauscht werden. Ebenso sei es mit dem gleichen Vor
kommnis des Sterbens und Auferstehens bei der Initiation
in Geheimbünde.
Wenn wir dieses klassische Denkmal des Evolutionis
mus noch einmal überschauen, so erkennen wir einmal,
daß wir solche einfachen Vergleiche durch Aneinander
reihung von Quellen auch ferner zur ersten Orientierung
stets werden vornehmen müssen, sei es nun mit oder ohne
die Weltanschauung des Evolutionismus. Gerade die
magische Seite der Religion gibt uns ein leichtes Verständ
nis und befriedigt auch die Auffassungsgabe von Leuten,
die sich wenig damit abgegeben haben. Der Erfolg des
Buches erklärt sich auch dadurch, daß Frazer stets mit
beiden Beinen auf der Erde steht und die Astralmytho
logie, die zum Verständnis dieser Erscheinungen gehört,
geradezu ängstlich vermeidet, denn dadurch würde ein
strittiges, manchen unverständliches Element hinein
kommen. Einschmeichelnd ist auch der trotz aller hervor
gehobenen Abweichungen durchgehende Gedanke, daß
gewissermaßen eine ganze Phase der menschlichen Ent
wicklung auf einmal beleuchtet wird. Es ist aber selbst
verständlich, daß ein tieferes Eingehen in die Einzeler
scheinungen im Zusammenhang mit der sonstigen Kultur
des jeweiligen Volkes verlangt und daß andererseits die
geschichtliche Verbreitung und womöglich Aufeinander
folge in jedem Falle ins Auge gefaßt werden muß.
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