152
Hochzeitsgebriiuchc der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
verarbeitet werden, dürfte nur eben so viele Hunderte ausmachen, als Tausende im Bezirke
Silkeborg dazu verbraucht werden. Es ist jedoch nicht immer so gewesen. Dieser Erwerbs
zweig ist nur der Ueberrest einer weit verbreiteteren und bedeutungsvolleren Holzwaaren-
industrie, die wahrscheinlich am Ende des Jahrhunderts aus Mangel an Rohmaterial aufhören
wird, die aber zu Anfang dieses Jahrhunderts viel blühender als jetzt war, und der man im
wesentlichen Grade die Abnahme der Wälder zu verdanken hat. Ein Schriftsteller, Begtrup,
führt in seinem Buche über „Der Holzschuhhandel in Jütland” an, dass im Jahre 1802 in 40
der Kirchspiele Mitteljütlands 4400 Personen von der Holzschuh fab rication lebten, deren
jährlicher Umsatz an 3—4 Tonnen Gold betrug.
Hoehzeitsgebrauche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
Von Dr. Heinrich v. Wlislocki.
Den Zigeunern, über die sich nach manchen Berichten, deren Verfasser nicht selten aus
trüben Quellen schöpften, merkwürdige Legenden herangebildet haben, ist man von jeher
gewohnt, alles Wunderbare, Unmögliche oder Scheussliche in die Schuhe zu schieben, weil
die Unkenntniss dieses Volkes, seiner Sitten und Gebräuche, seines innern Lebens so gross
ist, dass man hierin ungestraft sündigen zu dürfen glaubt, — aber es ist auch nicht zu vergessen,
dass ja eben die Zigeuner so viele Zuchthäusler, leichtsinnige und verlotterte Menschen von
jeher in die Schule der Kerker geschickt haben. Durch Verfolgungen aller Art hatten die
Zigeuner Europas — mit Ausnahme der Donauländer, Ungarns und Siebenbürgens, wo ihr
Schicksal von jeher ein gelinderes, günstiges war — ihre Sitten und Gebräuche längst schon
aufgegeben, als man endlich an ein tieferes Eingehen in die, in ihrer Art höchst merkwürdigen
Kundgebungen eines durchaus selbstthätigen dichterischen Volksgeistes dachte. Es hat dies
seinen Grund zum Theil in dem erst spätem Auffinden poetischer Ergüsse unter den Zigeunern
überhaupt, zum Theil wohl auch in der minder leichten Zugänglichkeit des genügenden
Verständnisses für dieselben. Ist es schon nicht ganz leicht, auch nur das äussere Walten
eines so wenig gekannten Volkes, wie jenes der Zigeuner auch noch heute ist, und die
poetischen Gestaltungen desselben ohne vorangegangene Studien zu begreifen, so ist es vollends
kaum möglich, sein inneres Leben und dessen dichterische Offenbarungen ohne genaueste
Kenntniss des Volkes selbst, ohne völliges Hineinleben in seine einzelsten und besondersten
Lebenskreise und Anschauungsweisen in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen.
Namentlich in den östlichen und nordöstlichen Hochlanden von Siebenbürgen ist der
Zustand dieses Volkes noch von sehr primitiver, unverfälschter Natur. Man wandelt daselbst
völlig auf dem classischen Boden eines Stückes der Zigeunergeschichte. Dort haben selbst
die ansässigen Zigeuner (Gletecore = Zunge - Sprache - Armen) ziemlich ihre Urthümlichkeit
bewahrt, wenn schon weder ihr Anzug, noch ihre Wohnungen jenen wilden, barbarischen
Character zeigen, welchen die Tracht und die Zelte der Wanderzigeuner Siebenbürgens (die
Kortorär) 1 ) so häufig zur Schau tragen. Die Gewohnheiten und Gebräuche der heutigen
transsilvanischen Zeltzigeuner lassen überhaupt vermuthen, dass dieses Volk auch in seiner
J ) Die ansässigen Zigeuner werden von den Zeltzigeunern mit einer gewissen Verachtung
behandelt und „Sprache-Arme” genannt, weil sie viele theils rumänische, theils ungarische, theils
deutsche Lehnwörter in ihrer Umgangssprache gebrauchen. Kortorär-o heisst: der „im Zelt
befindliche, hausende”.