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Ueber den Zauber mit menschlichem Blut und dessen
Ceremonial-Gebrauch bei den Indianern Amerikas.
Von Di\ A. F. Ckamberlain (Clark University-Worcester, Massachusetts).
III. Bei einigen Völkern der untercalifornischen Halbinsel kuriren
die Schamanen Geschwülste, indem sie die Haut ritzen und das Blut
aussaugen. Das Aussaugen des Blutes durch den Schamanen ist in
Amerika sehr weit verbreitet, von dem Eismeere bis an die südlichste
Spitze des südamerikanischen Festlandes, und wird mit verschiedenen
Ceremonien begleitet. In Unter-Californien, z. B., wenn die leidende
Person ein Kind oder eine Schwester hatte, schnitt man dieser in den
kleinen Finger der rechten Hand und liess das Blut auf den bösen
Teil des Körpers niedertröpfeln. Nach dem Tode eines Indianers
grämen sich seine Freunde und Verwandte, indem sie sich den Kopf
mit scharfen Steinen schlagen, bis das Blut herabrieselt. 1 ) Von den
Tobosos und anderen Völkern nördlichen Mexikos berichtet man
folgendes: sie frassen das Menschenfleisch und jagten die Menschen
gleich wie das Wild. Sie speisten das Fleisch ihrer tapferen Feinde,
um dadurch ihre eigene Tapferkeit zu vergrössern. Bei den Ceris
zur Zeit der Einweihung der jungen Krieger, ritzte der Priester
grausam mit einer Adlerklaue die Schultern, Arme, Brust, und
Schenkel des Candidaten, dem kein Seufzer oder Aeclizen entfuhr. 2 )
Unter einigen Völkern dieses Landes berauscht sich bei der Geburt
des ersten Kindes der Vater, den eine tobende Rotte umgibt, wovon
ein jeder ihm die Brust streicht und ritzt, bis das Blut stark lierabfliesst.
Nach einer langen Reise oder nach einem ermüdenden Krieg
aufzuge scarificiren die Opater ihre Beine und Füsse mit scharfen
Feuersteinen. Ist in der Provinz Zacatecas ein Bund zwischen zwei
Völkern zu schlagen, so zieht man aus den Ohren eines dem die
Allianz wünschenden Geschleckte gehörenden Indianers Blut, womit
verschiedene Männer des anderen Geschlechtes sich einschmieren, und
so wird der Bund geschlossen. 3 )
Wird ein Cora-Indianer im Kampfe getötet, so verwahrt ein
Verwandter ein im Blut getauchtes Tuch bis zum Tod des Mörders
oder eines Mannes derselben Familie. Im Kampfe sparten die Tepe-
kaner oft die Kinder, denen sie aber das Gehirn und das Blut ihrer
ermordeten Eltern zu trinken gaben, um sie gegen ihre eigenen Ver
wandten hart und gefühllos zu machen. Die Komanche-Indianer, von
denen berichtet wird, dass sie das warme Blut der getöteten Tiere
trinken, üben auch das Scarificiren sowohl als Heilmittel gegen Haut
krankheiten, wie als Zeichen des Schmerzes beim Begraben eines Ver
wandten. 4 )
*) Bancroft, Native Baces I, 569. 2 ) Bancroft, Native Races 1, 577, 580.
3 ) Bancroft, Native Races I, 585, 589, 637. 4 ) Bancroft, Native Races I, 637, 629,
521, 523.