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io. Yom Büchertische.
Die Geschichte der deutschen Weihnacht. Von A1 e x a n d e r T i 11 e. Leipzig.
Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger (1894). 8. 355 S.
An fünftehalb Jahre mögen es jetzt her sein, dass Alexander Tille und ich
durch unsern treuen alten Meister, Rudolf Hildcbrand in Leipzig, dessen 70. Ge
burtstag v am 13. März) soeben seine Schüler u. a. durch beachtliche Festschriften 1 )
gefeiert haben, zur Aufmerksamkeit auf die in unseren alten Festen, insbesondere der
Weihnacht ruhende Poesie hingelenkt wurden. Tille, dem eine auffällige Begabung
für Sammlung und Gestaltung derartigen Stoffs einwohnt, hat die diesem Thema
gewidmete Teilnahme seitdem in einer Reihe gehaltvoller Aufsätze nachdrücklich be
kundet, die er wohl absichtlich populär abfasste und an dem grossen Publikum
zugänglichen Orten 2 ) veröffentlichte, um in den weitesten Kreisen dafür anzuregen.
Nunmehr beschenkt uns unser ileissige Fachgenosse mit einer Zusammenfassung seiner
Forschungergebnisse, an deren Abschluss ihn die mittlerweile erfolgte Uebersiedlung
ins Ausland — als Professor des Deutschen an der Universität Glasgow — nicht
verhinderte. Wie alles was wir von Tille lesen, ist dies Ruch übersichtlich an
gelegt sowie nett und flüssig geschrieben, kurzum ein gutes Buch, das den be
handelten Gegenstand gewiss in der Hauptsache erschöpft, jedenfalls aber zum
ersten Male für das eingewurzeltste deutsche Volkfest den Boden, die Entwickelung
und die Bezüge zur allgemeinen Weltanschauung und deren Niederschlägen in der
kirchlichen und der Laiensymbolik, den altcrcrbtcn, teils sogar officicll anerkannten
Bräuchen und der dichterischen Verwertung (nur hier gab cs wirkliche Vorarbeiten)
feststellt. Namentlich die Kapitel (in deren neun, mit gleichmässiger Liebe aus
geführten, das Material geschickt gegliedert ist) „Weihnachtumzüge“, „Volktiim-
licher Weihnachtglaube“, „Die blühenden Bäume der Weihnacht“ und „Der Weih
nachtbaum“ enthalten einen Reichtum von alten, aber noch nicht in den richtigen
Zusammenhang gestellten, und neuen Mitteilungen folkloristischer Art. Die Rück
sicht auf höhere gedankliche Gesichtpunkte, die man bei Tille gewohnt ist und
von ihm auch im diesmaligen Vorwort entschieden genommen wird, vermissen wir
in dieser jüngsten Leistung auch nicht. Und so bleibt denn nur übrig, der Ver-
laghandlung, die im Sinne ihres um des Volkes Wissen hochverdienten Stifters
das einschlägige litterarische Gebiet andauernd pflegt, die volle Anerkennung für
das würdige Gewand auszusprechen
München. Ludwig Fränkcl.
Die ausgezeichnet geleitete, von der ung. Ak. d. Wiss. unterstützte „Ungar.
Revue“ brachte in H. 6/7 des XIII. Jahrg. von Prof. Dr. Bela Läzär eine äusserst
gediegene Abhandlung über das Fortunatusmärchen, eine Stilisirung des 1890
magyarisch behandelten Stoffes in Revision. L. Fr.
x ) Auf die eine, die unseren Kreisen näher steht, sei im Vorbeigehen hin
gewiesen. Dr. Otto Lyon hat sie als Ergänzungheft seiner vortrefflichen „Zeit
schrift für den deutschen Unterricht“ (Leipzig, B. G. Teubner) herausgegeben und
neben anderen Fachgenossen haben K. Biltz („Zur deutschen Bearbeitung der
Melusinasage“), C. Franke („Ueher die Volkdichtung im Meissnischen“), 0. Glüde
(„Die Stellung des niederdeutschen Dialekts und seiner Werke zur hochdeutschen
Schriftsprache und Litteratur“, K. Landmann („Zur deutschen Heldensage“), E.
Martin („Haarigel und Haareule“), F. Henschke („Das Volktiimliclie in Martin
Greifs vaterländischen Bühnendichtungen“), L. Fränkel („Eberhard Tappe, ein
deutscher Schulmeister und Germanist [Sprichwörtersammler] älterer Zeit“) hierzu
Erwähnendes beigesteuert.
2 ) Auf einen solchen, wohl den letzterschienenen (in der „Gartenlaube“ 1893),
„Deutsche Weihnachten in der guten alten Zeit“, griff kürzlich R. Sprenger, Am
Urquell IV, 280, zurück.
Herausgeber: Dr. Friedrich S. Krauss, Wien VII/2. Neustiftgasse 12.
Verwaltung in Lunden in Holstein.
Druck von Diedr. Soltau in Norden.