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8. Auf Bogö, einer Insel im baltischen Meere, hatten sie nur
einen einzigen Baum, der für die Bewohner von grosser Wichtigkeit
war; denn alle Jahre, wenn der Kuckuck sich auf den Baum im
Frühling herabliess, und seinen Gesang anfing, wussten sie, dass sie
Hafer säen mussten. Einmal wurde doch am Ende der Baum gefällt,
der Kuckuck stellte sich nicht mehr ein und sie sahen sich gezwungen
hinfort die Hafersaat aufzugeben. Das ist der Grund, warum auf
der Insel kein Hafer gesäet wird. (D.)
9. Hin und wieder kann man hören, dass in D. bei der Geburt
eines Kindes ein Baum gepflanzt wird; Erzählungen aus N. und Sch.
machen es wahrscheinlich, dass die Sitte dort mehr allgemein sein
dürfte, wenigstens bei der Geburt eines Sohnes, cfr. Urquell II, 6,
Rochholz, Alemm. Kinderl. S. 284, Andree, Parall. II, 21, Ploss,
Das Kind I, 78.
10. Es wird erzählt, dass die beiden Dörfer Struxdorf und Böl
südlich von Flensburg über ein Füllen, das ein Mann getötet hatte,
in Streit gerieten. Zuletzt wurde die Sache gerichtlich dahin ent
schieden, dass die Böler einen Knoten an einem grossen Eichenbaum
schlagen, die Struxdorfer aber eine nebenstehende Eiche rund um
drehen sollten. Die letzteren gewannen. An dem Wipfel des Baumes
befestigten sie ein grosses Rad um den Hauptstamm, an’s Rad ferner
spannten sie Pferde an, die aus aller Macht ziehen sollten, weil die
Leute unten ein grosses Feuer angezündet hatten, damit sie den
Stamm erweichen könnten, und hiedurch gelang es ihnen wirklich
den Baum zu drehen.
11. Die Frau eines Unterirdischen suchte Hülfe für das Kind
bett bei einem Bauernweibe. Eines Abends gewahrte es ein Männlein,
das an die Thür klopfte. Die Frau hiess es freundlich hereintreten,
es hatte aber keine Zeit, wünschte nur, dass sie ihm augenblicklich
folgen soll. Nach einigem Zaudern willigte sie ein, und sobald sie
ausserhalb des Hauses angelangt waren, ergriff das Männlein ein
Stück Holz, setzte sich selber an’s eine Ende, forderte sie auf am
andern Platz zu nehmen, fürchte sie herunterzufallen, dürfe sie sich
nur an ihm festhalten. Sie tat sowie er ihr sagte: augenblicklich
erhob sich der Ast in die Luft und flog mit ihnen nach dem Hügel,
wo die Kirche lag. Der öffnete sich, sie gingen hinein und die
Bauernfrau erkannte die Wöchnerin, sie war die erste Braut, die in
der Kirche getraut worden und am Hochzeittage verschwunden war.
Sie hilft ihr und wird wieder nach ihrer Heimat zurückgeführt. (I).)
12. In einem Märchen wird erzählt vom faulem Knechte, der ein
mal einen Fisch gefangen hatte, von dem er das Recht erhielt, drei
Wünsche zu stellen. Seine Mutter forderte ihn eines Tages auf, auf
den Birnbaum zu steigen um reife Birnen zu pflücken. Lange stand
er unschlüssig, entdeckte aber am Ende eine grosse, gelbe Birne,
die ihn lockte. „Die will ich!“ rief er aus, kletterte langsam und
vorsichtig hinauf, er fiel nicht herab, denn er hielt sich fest, wo er
anfasste. Zuletzt erreichte er den Gipfel, streckte die Hand langsam