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AM ÜR-QUELL.
Herausgegeben
von
Friedrich S. Krauss
„Das Volktum ist der Völker Jungbrunnen.“
V. B. I. Hft. Bezugpreis ganzjährig: 4M. — 5 Kronen. 1894.
i. Zur Bedeutung der Zahl Neun.
Die Bedeutung der Zahlen für das symbolische und mystische
hei allen Völkern ist bekannt. Von besonderer Bedeutung ward früh
die erste ungerade Zahl drei und deren Multiplication 3x3 = 9,
ferner alle Zahlen, in denen die 9 enthalten ist. Heidnische Philosophen
(besonders die pythagoreische Schule) tvie christliche Mystiker, die
Kulte der verschiedensten Völker des Altertums, der Volkglaube
moderner Nationen, alles beweist die Heiligkeit der Neunzahl. Wie
tief hat Dante in der Vita nuova die Zahl neun in das Leben seiner
Beatrice verflochten!
Auch in dem deutschen oder germanischen alten Leben, in der
Poesie, in religiösen und Rechtsitten tritt die 9 allenthalben uns in
ihrer Bedeutung entgegen. Sie lebt als wirkungvoll und notwendig
im deutschen Volkglauben fort und in volktümlichen Gebräuchen.
Darüber gedenke ich einmal ausführlich zu handeln.
Heute will ich an dieser Stelle nur auf die Neun in Gruppirungen
von Wesen und Dingen hinweisen.
In der skandinavischen Mythologie finden wir Gruppen von neun
Walkürjen und von neun Disen, neun riesische Meerweiber, neun
Mütter des Gottes Heimdall, neun Jungfrauen der Menglöd-Freyja,
neun Zwerge (Fiolsv. m. 34). Neun Helden (je drei jüdische, christ
liche, heidnische) gruppirte das ausgehende Mittelalter, wie noch die
neun starken Helden am schönen Brunnen in Nürnberg und im Hanse
saale des Kölner Rathauses zeigen. In der Poesie des 15. Jahrh.
sind Gruppen von 9 beliebt. Beweise geben u. a. die Fastnachtspiele 38
und 47 der Kellerschen Sammlung und das Gedicht: die neun eilenden
Wanderer von Hans Sachs. Neun Urteiler waren im isländischen
und deutschen Recht, wo sie kurzweg die Neuner hiessen, wol bekannt.