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B. Referate. Ethnologie.
heiten besitzen. Weiterhin besteht unzweifelhaft bei den Schwarzen die
Neigung zur Hervorbringung grösserer und soliderer Granulationen, als wir
sie bei uns zu sehen gewohnt sind. Den Schluss der Arbeit bildet ein
sorgfältig zusammengestelltes, über vier Druckseiten umfassendes Verzeichnis
der einschlägigen Litteratur. Q. Thilenius-Breslau.
113. F. Delisle: Les macrocéphales. Bull, et Mémoir. de la
Société d’Anthropologie de Paris 1902. Série V, tome III,
S. 26—35.
Verf. sucht nach einer Erklärung des Vorkommens von Makrokephalen
auf dem begrenzten Gebiete der Schweiz, Savoyen, des französischen Jura.
Er beginnt mit einer Besprechung der ältesten bezüglichen Nachrichten bei
Herodot und Hippokrates, aus denen hervorgeht, dass die erwähnte Defor
mation bei den Bewohnern der Küste des Schwarzen Meeres üblich war
und mit deren Vorstellungen über Vornehmheit zusammenhing. Da aber
Hippokrates nach seiner eigenen Angabe zu der Zeit lebte, in welcher die
Sitte bereits erloschen war, so ist damit in dem IV. vorchristlichen Jahr
hundert die eine zeitliche Grenze gegeben. Aus den bisher erhobenen Funden
ergiebt sich einmal, dass die Makrokephalie variabel ist, dass andererseits
nach der Häufigkeit der Funde das Centrum der Deformation in Transkau-
kasien zu suchen ist, von dem aus sie sich durch das übrige Europa ver
breitete. Bezüglich des isolierten westeuropäischen Herdes stellt Verf. zu
nächst fest, dass die dortigen Funde von Individuen stammen, welche den
alten kaukasischen Völkern verwandt sind, dass weiterhin die Deformation
des Kopfes eine bis zum heutigen Tage im Kaukasus erhaltene Sitte ist.
Die Annahme, dass der westliche Herd durch die Wanderung der Cimerier
(Broca) oder der Avaren (v. Bär) entstanden sei, weist Verf. mit guten
Gründen zurück. Auch an die Völkerwanderungszeit kann nicht gedacht
werden, da die Fundorte von M. eine grössere Verbreitung haben müssten,
wenn die Nachkomnien der Zeitgenossen des Hippokrates den wandernden
Horden nach Westen gefolgt wären. Verf. nimmt daher als Erklärung an,
dass die occidentalen, mit den kaukasischen verwandten Makrokephalen noch
vor jeder germanischen Einwanderung bei den Helvetiern oder Protohel-
vetiern lebten; damals befand sich das Gebiet in einer langen Zeit friedlicher
Entwickelung, die Makrokephalen hatten dort Handelsniederlassungen be
gründet, wurden von den Eingeborenen als Bürger angesehen und als solche
auf den gemeinsamen Friedhöfen beigesetzt. In der vorsichtigen Angabe
Pruner-Beys, dass die Makrokephalen vermutlich dem Boden nicht fremd
waren, auf welchen sie gefunden wurden, sieht Verf. keine Förderung, ob
gleich er selbst vorher die mangelnde Einheitlichkeit der Charaktere der
bisher gefundenen makrokephalen Schädel erwähnte und vermutet, dass die
Deformation des Schädels in Zusammenhang steht mit gewissen Haartrachten.