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B. Referate. Anthropologie.
Yf. komplette Trennung des Sinus von der Nasenhöhle. Fehlen oder Un
vollständigkeit der Scheidewand kam in keinem Fall zur Beobachtung; in
1 °/ 0 der Fälle erschien das Septum durchbohrt.
Was die anthropologische Bedeutung der Frontalsinus betrifft, so
handelt es sich vor allem um die Frage nach den Wechselbeziehungen
zwischen Grösse der Sinus und dem Hervortreten der Arcus superciliares,
deren Form und Ausdehnung bei den Rassen bekanntlich beträchtliche
Variationen darbietet. Yf. leugnet das Vorkommen jener Wechselbeziehung
in dem Sinne, dass stark entwickelte Superciliarbögen nicht auf das Ver
halten der Sinus zurückschliessen lassen. Er stellt ihre Entwickelung, wie
schon so oft behauptet wurde, in Abhängigkeit vom Muskelzug, in der
Meinung, die Arcus seien allen anderen ähnlichen Muskelansatzstellen am
Schädel gleichzuachten. Nun hat aber die Frage nach dem Einfluss von
Muskelzug auf das Knochenrelief ihre sehr schwierigen Seiten. Anderer
seits fragt man sich unwillkürlich, ist denn ein Muskel von der Stärke des
Frontalis u. a. wirklich im Stande, am Knochen Spuren zurückzulassen,
wie dies etwa der Deltoideus am Oberarm oder der Serratus aus der Scapula
thut? Indessen bemerkt Vf. sicher mit Recht, dass die Arcus beim ^
lebhafter hervortreten, als im Q • Dem wäre hinzuzufügen, ihre Ent
wickelung weise deutliche Beziehungen auf zu der allgemeinen Stärke des
Knochenmuskelsystemes, ein Umstand, der für das Auftreten kräftiger Super
ciliarbögen bei Verbrechern verantwortlich gemacht wird. Unerwähnt lässt
Vf. ferner den Befund ungewöhnlich starker Arcus beim Quartär men sehen.
Zu bedenken ist endlich doch auch die Möglichkeit einer atavistischen
Genese des Merkmales; niedere Menschenrassen zeigen es häufig in be
trächtlicher Ausprägung; doch erscheint ein endgiltiges Urteil in diesem
Punkte uns noch verfrüht. Die Thatsache, dass der rechte Sinus sehr oft
an Grösse hinter dem linken zurücksteht, findet Vf. bestätigt. Anthropo
logisch bemerkenswert ist auch die Angabe, dass Kreuzköpfe nicht durch
geringe Grösse der Stirnhöhlen sich auszeichnen. Man sieht, auch quantitativ
gleiche Beobachtungsreihen können ausserordentlich verschiedene Resultate
ergeben infolge jener eigentümlichen Auslese, die bei der Entstehung anthropo
logischer Sammlungen im Zusammenhänge mit rassenanatomischen, socialen,
geographischen und anderen Faktoren immer ihren Einfluss übt. Im vor
liegenden Falle steht der Einfluss der Rasse sicher im Vordergründe, denn
unter 11 Schädeln fand Tarenetzki Fehlen der Sinus nicht weniger als
fünf Mal, also nahezu in der Fälle, woraus er schliesst, dass Metopismus
auf Grösse und Form der Sinus frontales einen entschiedenen Einfluss hat.
Dr. Richard Weinberg-Dorpat.