B. Referate. Ethnologie.
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vorstellt, und schliesslich auch die Peiskers, wonach die Hauskommunion
seit dem Mittelalter (durch Rezeption der byzantinischen Besteuerungsform)
dem Volke aufgezwungen worden sei. — Verf. äussert sodann seine eigene
Ansicht in der Sache. Er hält die Hauskommunion der Slaven für eine
natürliche urgeschichtliche Erscheinung bei fast allen Völkern auf der primi
tiven Stufe des Ackerbaus, besonders wenn dieselben die Naturalwirtschaft
noch nicht überwunden haben. In dieser Phase der ökonomischen Ent
wicklung ist jede Familie genötigt, für alle Bedürfnisse durch Eigenpro
duktion zu sorgen, was sie wiederum zu einer Vermehrung der Arbeits
kräfte zwingt. Diese rein ökonomischen Bedürfnisse haben auch zur Folge,
dass, falls eine Familie sich nicht vermehren kann, auch Fremde in der
Hauskommunion Aufnahme finden. Bei fast allen arischen Völkern lässt
sich die Hauskommunion nachweisen. Auch bei den Altslaven wird ihr
Vorhandensein durch die ältesten Überlieferungen, die auf uns gekommen
sind, bestätigt. — Im 3. Abschnitt beleuchtet Verf. noch die rechtlichen
Verhältnisse der Hauskommunion und im 4. die Hauskommunion als wirt
schaftliche, sociale und politische Institutionen. Buschan-Stettin.
391. Bernhard Stern: Medizin, Aberglaube und Geschlechtsleben
in der Türkei. Mit Berücksichtigung der moslemischen
Nachbarländer und der ehemaligen Vasallenstaaten. Eigene
Ermittelungen und gesammelte Berichte. Berlin, H. Bars
dorf, 1903. Zwei Bände, 437 u. 417 Seiten.
Mit einem wuihren Bienenfleiss hat Verfasser im Laufe einer Reihe
von Jahren alles zusammengetragen, was er über Medizin, Aberglaube und
Geschlechtsleben in den Ländern des Islam teils während eines fünfjährigen
Aufenthaltes im Orient, verbunden mit mehrfachen weiten Reisen in das
Innere der europäischen, wie asiatischen Türkei durch Umfrage und per
sönliche Beobachtung, teils beim Verarbeiten einer umfangreichen Litteratur
in Erfahrung bringen konnte, sodass ein stattliches Werk von 854 Seiten
entstanden ist. Der Inhalt des zweibändigen Werkes besteht aus 57 Kapiteln
und gliedert sich in 6 Hauptabschnitte. Von diesen behandeln die 3 ersten
Abschnitte die Geschichte der Heilkunde und der Ärzie in der Türkei, die
Heilbäder und Spitäler, die Kurpfuscherei und Volksmedizin, die Fieber-
und Wasserkuren, die Epidemien und den Aberglauben in der morgenländischen
Medizin; die drei letzten Teile sind der Liebe und Ehe im Islam, den sul-
tanischen Heiraten und Hochzeiten, der Macht der Frauen im Osmanen-
reiche, den Hochzeitsgebräuchen der Völker in der Türkei, dem intimen
Geschlechtsleben und den sexuellen Entartungen, endlich Mutter und Kind
gewidmet.
Ärzte, Priester und Volkskenner in Konstantinopel und an sonstigen
Orten, die Verf. auf seinen Reisen aufsuchte, haben ihn bei seinen Er-