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B. Referate. Anthropologie.
12 mm, um später immer mehr und mehr abzunehmen. Ähnlich verhält
es sich mit der Höhendistanz zwischen der Schamhöhe und dem grossen
Trochanter. G.-R. wendet sich nun gegen jene Anthropologen, welche das
Zurückbleiben der Maasse am weiblichen Körper hinter jenen des männlichen
als Infantilismus auffassen wollen, sowie gegen alle polygenetischen Hypo
thesen überhaupt. Er versucht auch die spezifisch weibliche Schädelform
auf Entwickelungsverschiedenheiten des Gehirns bei den beiden Geschlechtern
zurückzuführen, und bringt das Zeugnis Brocas bei, nach welchem das Stirn
hirn des Weibes sogar grösser ist als jenes des Mannes.
Es betragen die relativen Gewichte der Gehirnlappen im Alter von
16—91 J. (bei der Annahme der Hemisphäre = 1000):
Stirnlappen Schläfenscheitellappen Hinterhauptslappen
5 427 473 100
(5 431 469 100
Daraus erklärt G.-R. die Geschlechtsunterschiede des weiblichen
Schädels, wie z. B. die gerade Stirne mit hervorspringenden Stirnhöckern,
die geringere Schädelhöhe, die charakteristische Abplattung des Weiber
schädels im Bregma u. a. Obwohl er an der Unveränderlichkeit der Schädel
form festhält, giebt er eine Variabilität der langen Knochen zu und sieht
deswegen die hochstehenden Rassen als relativ jung an, da sie sonst mit
der Zeit ihre Plastizität verloren hätten. j) r . o. v. Hovorka-Wien.
375. Kompe: Kasuistische Beiträge zur Lehre von den Miss
bildungen. München, mediz. Wochenschrift, 1903, Nr. 4.
376. David u. Lipliawsky: Zur Ätiologie der Spalthand. Deutsche
mediz. Wochenschrift 1903, Nr. 24.
Gesunder Vater, gesunde, aber kleine Mutter mit infantilem Gesichts
ausdruck und kurzer schmaler Oberlippe, zeugen 2 normale Kinder; das
3. besitzt eine einfache Hasenscharte, das 4. einen Wolfsrachen, das 5. eine
doppelte Hasenscharte, doppelte Gaumenspalte und symmetrische Defekte
an beiden Händen und Füssen, und zwar fehlen beiderseits die mittleren
Finger und Zehen samt Metatarsus und Metakarpus, an deren Stelle sind
die Zwischenfingerräume tief verlängert (Spalthand und -Fuss). Syndaktylie
war ausgeschlossen.
Abgesehen von der leichten Anomalie der mütterlichen Oberlippe sind
erbliche Einflüsse auszuschliessen. Ätiologisch wichtig könnten die kümmer
lichen Verhältnisse der Eltern (Sachsengänger) erscheinen, sowie eine während
der Schwangerschaft erlittene psychische Erregung der Mutter wegen krimi
neller Bestrafung des Ehemannes. Ob aber diese wirklich die (fast habi
tuelle) Entwickelungsstimmung des Eies zu erklären vermag, ist mindestens
zweifelhaft.