Volltext: Internationales Centralblatt für Anthropologie und verwandte Wissenschaften, 8.1903

B. Referate. Etimologie. 
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zumeist grossen, auf Pfählen ruhenden Holzhäuser werden von einer Anzahl 
Familien des gleichen Stammes gemeinschaftlich bewohnt und sind derartig 
eingerichtet, dass jede Familie über eine eigene Kammer und einen eigenen 
Heerd verfügt, die Yeranda allen aber gemeinsam ist. Ihre Beschäftigung 
besteht in intensivem Ackerbau (zumeist Reis, daneben viel Tabak, ferner 
Baumwolle, Zuckerrohr, Erdfrüchte u. a. m.), ausgedehnter Viehzucht (Büffel 
und Rinder, Schafe, Hühner, Tauben) und wo sich die Möglichkeit dazu 
bietet, auch in Fischfang (mittels Netz und Harpune). Daneben üben die 
Gajos aber auch noch eine Reihe blühender Industrien aus; so betreiben 
sie Töpferei (Töpfe und Kannen mit hübscher Ornamentik, sogar mit silbernen 
Verzierungen), flechten Matten, die durch ihre geschmackvolle Farbenzu 
sammenstellung, Zeichnung und Technik unsere Bewunderung herausfordern, 
knüpfen Netze, weben Stoffe, fertigen Holzschnitzereien und Schmiede 
arbeiten an, die gleichfalls grosse Kunstfertigkeit verraten, ja sie prägen 
sogar eigene Münzen. 
Die politischen und socialen Verhältnisse der Gajos sind im Grossen 
und Ganzen die gleichen, wie in den Bataks-Hochländern, nur mit dem 
Unterschied, dass sie bei diesen Völkern bereits weiter entwickelt sind und 
feste Formen angenommen haben, während sie bei jenen noch im Flusse 
sind. Die Gajos sind in Stämme und Geschlechter eingeteilt. Merkwürdiger 
Weise wohnt jedoch ein ganzer Stamm oder ein ganzes Geschlecht keines 
wegs in einer Landschaft oder in einem Dorfe zusammen, sondern oft 
genug über weite Gebiete verteilt. Daher kommt es, dass es unzählige 
Stämme giebt und dass, da der Stammverband ein ziemlich laxer ist, unter 
Umständen jeder Teil eines und desselben Stammes einen Häuptling (Rödjö) 
besitzt, dessen Würde erblich zu sein pflegt. Trotzdem hat sich bei den 
unzähligen Untergruppen eines Stammes das Bewusstsein einer Zusammen 
gehörigkeit erhalten, was darin zum Ausdruck kommt, dass das exogame 
Prinzip des Heiratens in aller Strenge aufrecht erhalten wird. Wie überall 
auf Sumatra, herrscht auch bei den Gajos Frauenkauf. Die Frau wird 
Eigentum des Mannes und geht vollständig in den Stamm des Mannes auf; 
diesem gehören auch die aus der Ehe resultierenden Kinder an (Patriarchat). 
Daneben kommt aber auch die Erscheinung des Matriarchats vor. Wenn 
nämlich der Brautvater seine Einwilligung zur Heirat unter Verzicht auf 
den Kaufpreis resp. Brautschatz giebt, so wird der Bräutigam als Sohn 
aufgenommen und tritt dann als vollberechtigtes Mitglied vollständig in den 
Stamm seiner Frau über. 
Im Anhänge hat Hagen ein Wörterverzeichnis der Gajo-Sprache bei 
gefügt. Ausserdem sind der Arbeit mehrere Kartenskizzen, sowie das Porträt 
eines Gajo-Mannes nach einer Originalaufnahme des Verfassers beigegeben. 
Buschan-Stettin.
	        
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