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В. Referate. Anthropologie.
303. Otto Walkhoff: Die diluvialen menschlichen Kiefer Belgiens
und ihre pithekoiden Eigenschaften. Selenkas Menschen
affen, 1903. Liefe. Yl, S. 373—407, 24 Abb. Wiesbaden,
C. W. Kreidel.
Untersucht wurden die Kieferreste топ La Naulette, Spy und Goyet,
welche wieder in dankenswerter Weise genau beschrieben und mit Hilfe
der Photographie (zum ersten Male) naturgetreu abgebildet werden. Der
Kiefer топ La Naulette wird mit dem Schipka-Kiefer verglichen, indem auf
die von Yirchow namhaft gemachten Unterschiede beider von einander
eingegangen und diese Differenzen als Altersverschiedenheiten (Erwachsener
und zehnjähriges Kind) erklärt werden. Die innere Struktur ist, wie mit
Radiographie nachgewiesen wird, bei beiden die gleiche. Ein Trajektorium
des Genioglossus fehlt wie dem Schipkakiefer, so auch dem von La Naulette;
hieraus schliesst W. auch wieder auf das Fehlen einer artikulierten Sprache
in grösserem Umfange. Die Zähne sollen, nach X-Aufnahmen zu schliessen,
die die Alveolen sichtbar machen, beträchtlich, wenn auch nicht ausserge-
wöhnlich gross gewesen sein; dass der von Yirchow und Pruner-Bey
erwähnte nachträglich in der Höhle von La Naulette gefundene sehr kleine
Eckzabn zum Unterkiefer gehört habe, konnte W. in Brüssel nicht ermitteln.
Unter den angeführten pithekoiden Eigenschaften des Kiefers von La Naulette
sind die wichtigsten das Fehlen eines Kinnes, und das Fehlen eines Trajek-
toriums der Zungenmuskeln. Die Kieferreste des Spy-Menschen bestehen
aus einem ganzen Unterkiefer (ohne eigentliche Kinnbildung und ohne Genio-
glossus-Spina) mit sämtlichen Zähnen (die Molaren werden nach hinten zu
grösser), sowie einem Teil des zugehörigen rechten Oberkiefers; es ist ein
stärkeres Trajektorium des Genioglossus vorhanden; beim Schädel Spy II
ist vom Unterkiefer nur ein Stück der rechten Seite mit den 3 Molaren
und den beiden Prämolaren, ferner ein Stück der linken Seite mit den drei
Molaren und dem zweiten Prämolaren erhalten, ferner vom Oberkiefer fast
sämtliche Zähne. Yon den Molaren sind gleichfalls die letzten die grössten.
Letztere Hessen sich noch zu einem Zahnbogen zusammenstellen, der eine
sehr starke Prognathie des Oberkiefers ahnen lassen soll. Auf die Wieder
gabe aller Eigenschaften der Kiefer und der Zähne, die W. für primitiv
hält, muss hier leider verzichtet werden. Es werden dann (geologisch)
immer jüngere Kiefer beschrieben, der von Goyet („der Mensch des jüngeren
Diluviums sprach schon mehr“) solche aus der Mammutzeit, eine Reihe
belgischer und deutscher Kiefer der Renntierzeit, und es wird an ihnen die
allmähliche Umwandlung der Kieferformen bis zur heutigen zu demonstrieren
gesucht; diesem letzteren Teil sind aber leider keine Abbildungen (mit Aus
nahme solcher des Kiefers von Goyet) beigegeben, wodurch die Leichtigkeit
des Yerständnisses leidet.
P. Bartels-Berlin.