B. Referate. Anthropologie.
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Lassen, bis der Zustand des rezenten menschlichen Kiefers erreicht ist, —
wobei vorausgesetzt wird, dass die Entwickelung im Gebrauch der artikulierten
Sprache anatomisch sich widerspiegelt in der Entwickelung der Genioglossus-
Trajektorien (vgl. zu dieser, wie Ref. scheinen will, noch der Nachprüfung
bedürftigen Hypothese den kürzlich im Anat. Anz. XXIII, No. 2/3 er
schienenen Aufsatz von Fischer, s. Referat No. 302). Ausserordentlich
wertvoll sind die schönen Photogramme und Radiogramme der Kieferreste
von Schipka, Pfedmost und Krapina, die für sich allein schon der Arbeit
bleibenden Wert sichern. Eines der schönsten, mit Hilfe der Radiographie
gewonnenen Resultate ist die Bestimmung des Alters des Schipka- und
Pfedmostmenschen: ersterer Kiefer gehörte nach W. einem zehnjährigen,
letzterer einem etwa siebenjährigen Kinde an. p. Bartels-Berlin.
302. E. Fischer: Beeinflusst der M. genioglossus durch seine
Funktion beim Sprechen den Bau des Unterkiefers? Anatom.
Anzeiger 1903, Bd. XXIII, No. 2/3, 1 Taf.
Yerf. wendet sich gegen Walkhoffs Genioglossus-Hypothese, indem
er die Frage, ob die Deutung aller Details bei W. richtig ist, ob all seine
Untersuchungen und Deduktionen betreffs Ursprung und Funktion von Spina
mentalis, Fossa digastrica etc., Ansatz der Muskeln und Gestalt der Tra-
jektorien, endlich seine Homologisierung der betreffenden Teile auf Radio
gramme von Mensch und Affe, völlig einwandfrei sind, bei Seite lässt und
nur den einen Punkt untersucht, ob der dem Genioglossus-Trajektorium ent
sprechende dunkle Fleck im Radiogramm auch bei Stummen vorkommt, was
nach Meinung des Yerf. eine völlige Widerlegung der W.sehen Hypothese
bedeuten würde. Er liess daher Radiogramme herstellen von dem Unter
kiefer A. J. No. 546 der Freiburger anthropologischen Sammlung, der einem
von Geburt an blödsinnigen und stummen ^ Individuum angehört hatte,,
ferner von dem Unterkiefer der mikrocephalen Margarethe Mähler, die nicht
sprechen, sondern nur ein kreischendes Geschrei von sich zu geben vermocht
hatte, ferner von Konrad Schüttelndreyer, von dem berichtet wird, dass er
nur blökende Laute von sich geben konnte (nach dem Bericht der Ange
hörigen soll er 4 Worte, wiewohl sehr unverständlich, ausgesprochen haben).
Die letzteren beiden Schädel sind in Yogts Microcephalen-Arbeit beschrieben.
Die Radiogramme zeigen nun, wie die 3 Abbildungen erkennen lassen,
sämtlich das dreieckige Genioglossus-Feld, womit Yerf. Walkhoff widerlegt
zu haben glaubt. P. Bartels-Berlin.
Intern. Centralblatt für Anthropologie. 1PÖ3.
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