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B. Referate. Urgeschichte.
geworden sind, und zahlreiche Striche und Zeichen noch der Entzifferung
harren. Bezüglich der Technik besteht offenbar die nähere Beziehung zu
den Bildern von Combarelles, insofern in der Grotte von Bernifal die ein
fachen Ritzungen bei weitem überwiegen, bei einigen Tierkörpern aber sind
Spuren der Bemalung mit Ockererde und Manganschwarz unverkennbar;
doch kommt es nicht zu wirklichen Gemälden wie im Font-de-Gaume und
Altamira.
Unter den 12 Figuren, welche Capitan einzeln namhaft macht, bean
spruchen ohne Frage zwei Mammuts das grösste Interesse. Das eine ist
90 cm lang und 70 cm hoch, das andere 80 cm lang und 45 cm hoch.
Das erstere ist an vielen Stellen von Kalksinter verdeckt, das zweite, auf
Capitans Fig. 64 abgebildet, ist fast ganz sichtbar. Die gewölbte Stirn,
der Rüssel, die gekrümmten Stosszähne und die dicke Mähne sind sehr
deutlich. Schön erkennbar sind ferner mehrere Pferde, deren eines zum
Teil farbig angelegt ist. Capitan findet in der charakteristischen Wieder
gabe Anklänge an das jetzige wilde Pferd der mongolischen Wüste, den
„Kertag“. Von Bisons ist nur eine Figur deutlich, während in Fort-de-
Gaume bekanntlich gerade diese Tierform überwiegt. Mit einiger Wahr
scheinlichkeit sind andere Figuren auf Antilopen, eine auf das Renn zu beziehen.
Das Interessanteste an den Figuren dieser neu entdeckten Grotte ist
ohne Zweifel das häufige Yorkommen jener dreieckigen Figuren, die bereits
an den anderen Fundorten bekannt waren. Die neuen Bilder, welche Capitan
davon giebt, bestärken die von ihm selbst vertretene Deutung dieser Figuren
als menschliche Behausungen. Es spricht sich in denselben meist das
gleiche Prinzip aus: Horizontale Balken, auf denen mehrere, 2, 3 auch 4
senkrecht gestellte Balken ruhen, gegen welche seitlich schräge Balken ange
lehnt sind. Die mittleren Träger stehen auf zwei der Figuren nicht genau
senkrecht, sondern divergieren seitlich. In Font-de-Gaume sah ich die auch
von Capitan abgebildete Hüttenfigur, — sie ist auf einen Bison aufgezeichnet
— an welcher deutlich der Umriss einer Eingangsthür sichtbar ist. Eine
gewisse Mannigfaltigkeit besteht also in diesen wohl ältesten bis jetzt be
kannten Behausungen des Menschen.
Dass die Hüttenfiguren so oft auf die Tierkörper selbst aufge
zeichnet sind, giebt zu denken. Vielleicht haben wir, wie Capitan an
deutet, darin das Bestreben zu erblicken, die Zugehörigkeit einzelner
Tiere zu einem Stamm oder einer Familie zu markieren. Die Bilder
von Combarelles und Font-de-Gaume sprechen in demselben Sinne, da die
Pferde z. T. Zaumzeug haben, woraus auf Anfänge von Domestikation
geschlossen werden darf.
In Technik und Art der Tierwelt schliesst sich die neue Grotte von
Bernifal näher an die von Combarelles als an diejenige von Font-de-Gaume
an; letztere ist, obwohl noch immer paläolithisch, jedenfalls jünger, da das