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B. Referate. Ethnologie.
253. Richard Weinberg: Crania livonica. Untersuchungen zur
prähistorischen Anthropologie des Balticums. Archiv für
Naturkunde Liv-, Esth- und Kurlands. Serie II, Biolog.
Naturkde. Dorpat 1902, Bd. XII, Lief. 2, 92 Seiten mit
5 Tafeln.
Allerdings sind es nur 7 Schädel, die den Untersuchungen des Ver
fassers zu Grunde lagen, dafür sollen sie aber aus Gräbern herrühren, die
zweifelsohne dem livischen Stamme zuzuschreiben sind (Wende des 1. Jahr
hunderts). Er findet für sie folgende Charakteristik heraus: ansehnliche
Kapazität, bedeutenden Modulus, Mesocephalie mit stark ausgeprägter Neigung
zur Dolichocephalie, Orthocephalie, mittlere Höhe in der Hinterhauptsnorm,
Breitstirnigkeit, Leptoprosopie an der Grenze der Chamaeprosopie, unver
hältnismässig hohes Obergesicht, dabei vielfach Prognathie höheren Grades,
Meso- bis Hypsiconchie, Mesorrhinie, Leptostaphylinie und breite abge
rundete Form des Foramen magnum. Als „Besonderheiten“ des Liven-
Schädels stellt er die ungewöhnlich hohen Dimensionen des Obergesichtes,
Entwicklung des Torus palatinus — unter 7 Schädeln 4 mal vorhanden —,
starke Erhebung der Umgebung des Foramen magnum mitsamt den Condylen
über das allgemeine Niveau der Hirnschädelbasis, sowie starke Gebissab
nutzung hin.
Es erscheint uns etwas gewagt, auf nur 7 Schädeln, auch wenn ihre
livische Herkunft wirklich verbürgt ist, weitere Folgerungen aufzubauen,
im besonderen Kritik über die Zugehörigkeit von Schädeln zum livischen
Stamme zu üben, die ebenfalls auf livläudischen Boden (das Yirchow s. Z.
vorliegende Material) gefunden wurden. Daher dürften auch des \erfassers
Auslassungen bezüglich eines Vergleiches seines Livenschädels mit den Schädeln
der Nachbarstämme mit Vorbedacht aufzunehmen sein. Er findet eine Reihe
übereinstimmender Merkmale am knöchernen Schädel zwischen Esthen und
Liven, trotzdem beide Stämme in ihrem äusseren Habitus grundverschieden
von einander sind, desgleichen mit den Finnen jenseits des Meeres; aller
dings sind diese merklich brachycephaler. Im übrigen besteht aber auch
bei den heutigen Liven eine grössere Neigung zur Kurzköpfigkeit als bei
ihren Vorfahren. — Die vorliegende Arbeit unterrichtet den Leser gleich
zeitig in allgemeinen Umrissen über die nationale Kultur der alten Liven
auf Grund der Grabfunde. Eine kurze Zusammenfassung des gleichen Themas
giebt Verf. unter dem Titel: „Zur Schädelkunde der Liven“ im Biolog.
Centralblatt 1903, Bd. XXIII, Nr. 9. Buschan-Stettin.