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ß. Referate. Anthropologie.
2. Moritz Alsberg: Die Abstammung des Menschen und die
Bedingungen seiner Entwicklung. Für Naturforscher, Ärzte
und gebildete Laien. Mit 24 Abbildungen im Text. Cassel,
Th. Gr. Fischer & Co., 1902. 248 Seiten.
Seitdem die Abstammungslehre des Menschen durch die entwicklungs
geschichtlichen Untersuchungen der jüngsten Zeit, im besonderen durch die
Studien von Klaatsch, Schwalbe u. a. in neue Bahnen gelenkt worden ist,
insofern sich herausgestellt hat, dass die heutigen Anthropoiden keineswegs
als die Vorgänger des Menschen in seiner Entwicklung zu betrachten sind,
sondern eher als „degenerierte Vettern“, war es gewiss angezeigt, die
Ergebnisse dieser neueren Forschungen einmal zusammenzufassen und
dem weiteren gebildeten Publikum vorzuführen. Alsberg hat meines Er
achtens diese Aufgabe in geschickter Weise gelöst; das Buch ist so ge
schrieben, dass es jeder naturwissenschaftlich gebildete Laie verstehen kann.
Im 1. Abschnitte (S. 1—37) beschäftigt sich Verf. mit der Neanderthal-
rasse. Aus den spärlichen Knochenresten rekonstruiert er den Schädel und
den mutmasslichen sonstigen Körperbau dieser diluvialen Rasse, die sich
infolge ihrer niederen Bildung sehr wesentlich vom heutigen Menschen unter
scheidet. Der 2. Abschnitt (S. 38-—78) ist allgemeinen Betrachtungen
über „das Abstammungsproblem“ gewidmet. Verf. zeigt an den Beispielen
der Hand, des Fusses, des aufrechten Ganges, des Gebisses etc., sowie der
rudimentären Organe, dass von einer Abstammung des Menschen von den
Anthropoiden trotz mancherlei sonstiger Berührungspunkte unter allen Um
ständen keine Rede sein kann, dass man vielmehr den Ursprung des Menschen
von einem älteren Abschnitte des tierischen Stammbaumes herleiten müsse,
und versucht eine Erklärung für das Zustandekommen der speziell menschlichen
Eigenschaften. Im weiteren Verfolg dieser Frage werden im 3. Abschnitte
(S. 79 —118) der Pithecanthropus, die niederen Affen und Anthropoiden
in ihren Beziehungen zur Abstammung des Menschen besprochen. Den
Pithecantropus hält Verf. nicht für einen direkten Vorfahren des heutigen
Menschen, sondern für den Spross einer Seitenlinie, der sich erst kurz vor
der Entwicklung des eigentlichen Menschentypus von einem gemeinsamen
Stamme abgezweigt und dementsprechend nähere Beziehungen zur menschlichen
Körperbildung beibehalten hat, als diejenigen sind, denen man bei den
Anthropoiden im engeren Sinne begegnet. Der Ursprung des Menschen
von einem auf relativ niederer Entwicklungsstufe stehenden Gliede des
grossen Säugetierstammes, wie es die Prosimier sind, erscheint dem Verf.
viel wahrscheinlicher, als die Affenabstammung. Als Anhänger des mono-
phyletischen Ursprunges des Menschen spricht sich Verf. im 4. Abschnitte
(S. 118—139) im Anschluss an Schoetensacks Hypothese für den indo
australischen Archipel als „Urheimat des Menschen“ (den Punkt, w r o sich