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B. Referate. Anthropologie.
am besten zum Studium der Erblichkeitsverhältnisse eignen dürfen, da man
die Ahnenreihe weit hinauf verfolgen und über sämtliche Glieder meist
eine Fülle von genauen Nachrichten erhalten kann. Bei den spanischen
Habsburgern kann man die erbliche Yeranlagung zu Geisteskrankheiten bis
auf den Eintritt von Johanna die Wahnsinnigen in diese Familie nach-
weisen. Str. hat nun diese Familiengeschichte erneutem Studium unter
worfen und stösst auf eine Anzahl auffallender Erscheinungen, welche in
den bisher gültigen allgemeinen Erblichkeitsregeln eine Erklärung noch nicht
finden. Auffallend ist das massenhafte Sterben von Prinzen und Prinzessinnen
in zartem Alter. Warum das Geschlecht, Avelches „unzweifelhaft das Bild
eines jähen Verfalls“ bietet, gerade im Mannesstamm so schnell zum Aus
sterben gelangt, während es in der weiblichen Linie noch heute ausser
ordentlich zahlreich vertreten ist, bleibt zunächst noch unaufgeklärt; es
scheint, als ob die erbliche Belastung hier beim Manne stärker auftrete
als bei der Frau. Auch für das Auftreten bestimmter vererbter Eigen
schaften nur bei Einzelnen, für die Verschiedenheit leiblicher Geschwister fehlt
noch eine Erklärung. Soll man an eine besondere Disposition der Eltern
bei der Zeugung denken? — Die allgemeinen Schlüsse, zu denen Verf. ge
langt, sind: Je weiter zurück in einer Ahnenreihe der belastende Ahne
vorkommt, desto mehr tritt in der Descendenz sein schädigender Einfluss
zurück. An sich bedingt der Ahnenverlust keinen schädlichen Einfluss.
Wird durch Heiraten eine gleichartige Erbschaftsmasse zugeführt, so wird
deren Einfluss verstärkt. Nicht die Gleichartigkeit der Erbschaftsmasse als
solche, sondern deren belastende Eigenschaften wirken für die Nachkommen
schaft ungünstig. Str. meint, dass die Genealogie der von der Medizin
aufgestellten Vererbungsregeln ebenso viele Ausnahmen entgegen stellen kann,
für die es noch keine Erklärung giebt. Er verlangt mit Lorenz zum Studium
stets die Ahnentafeln, nicht die Stammtafeln heranzuziehen und das Ver
halten möglichst vieler Geschwisterreihen zu verfolgen, nur so werde man
vollwertiges Material erhalten. Oberarzt Dr. Kellner-Untergöltzsch.
332. A. Simon: Recherches céphaiométriques sur les enfants
arriérés de la Colonie de Vaucluse. L’Année psychologique.
(Paris) 1900, S. 1—62.
Diese mustergültige Darstellung der mit grosser Ausdauer und vielem
Geist ausgeführten cephalometrischen Untersuchungen an gleichaltrigen zurück
gebliebenen Kindern bedauern wir, auch nicht annähernd ihrem Inhalt nach
wiedergeben zu können: die 20 klinischen Vorstellungen, die Besprechung
der Messungen im allgemeinen und der des Verf. im besonderen, der Ge-
nauigkeitskoefficienten, der mittleren Maasse und der Reihenbildung, alles
das birgt eine Fülle von Gedankenarbeit und kann mit Frucht nur im
Originale gelesen werden. Beschränken wir uns also auf die Schlüsse des