308
B. Referate. Urgeschichte.
304. G. Thilenius: Prähistorische Pygmäen in Schlesien. Globus
1902. Bd. LXXXI, Nr. 17.
305. J. Kollmann: Pygmäen in Europa und Amerika. Globus 1902.
Bd. LXXXI, Nr. 21.
Bei der Durchsicht der prähistorischen, im Museum schlesischer Alter
tümer befindlichen Skelettreste fielen dem Yerf. solche von einer Reihe aus
gewachsener Individuen auf, die eine so auffallend kleine Körpergrösse
besessen haben mussten, dass man sie als Pygmäen bezeichnen kann. Die
fraglichen Skelette stammten aus den Fundorten Rotschloss (Hocker der
1. Periode der Bronzezeit), Jordansmühl (römische Zeit) und Schwanowitz
(slavische Zeit). Die Körpergrösse berechnete Yerf. aus den (absolut keine
pathologische Veränderungen aufweisenden) langen Röhrenknochen auf 149,6
—152,3—150,6 und 142,9 cm (Pygmäen von Schweizerbild 135,5—141,6
—142,4 und 150,0 cm, Egisheim 120, 125, 150 und 152 cm, ein im
Wormser Museum befindlicher Hocker 144,5 cm). Ob diese „römischen“
und „slavischen“ Pygmäen von Schlesien die Überlebenden einer neolithischen
Rasse sind — aus der neolithischen Periode im Rheinthale kennt man sie —,
ob hier nur eine Konvergenzerscheinung vorliegt, ob es sich um eine
Erscheinung handelt, die mangels einer anderen Erklärung zunächst als
Ausdruck der ausserordentlichen Mutationsbreite des Menschen angesprochen
werden mag, das alles will Yerf. zur Zeit noch nicht entscheiden; dazu ist
zunächst eine grössere Reihe von gut konservierten Skeletten erforderlich.
Mit Recht legt Yerf. denjenigen, die Ausgrabungen leiten, ans Herz, alle
nur erreichbaren menschlichen Skelettreste aufzuheben, nicht allein die kultur
geschichtlichen Dokumente der Yorzeit. — Kollmann wird durch den Nach
weis von pygmäenhaften Individuen sowohl unter der vorgeschichtlichen
Bevölkerung Europas (Deutschland: die obigen Funde, sowie am Rhein;
Frankreich: neolith. Stationen von Cave aux Fées bei Brueil, Mureaux und
Chalon-sur-Marne) und Amerikas (unter den von der Prinzessin Therese
von Bayern in Ancon und Pachäcamäc gesammelten Skelettresten zahlreiche
nannocephale Schädel von 1060—1192 Inhalt, dazu 2 Oberschenkelknochen
entsprechend einer Körperlänge von 116,1 und 146,3 cm), als auch noch
unter der heutigen Bevölkerung von Europa (Sergi und Mantia für Sicilien
etc.), Amerika (d’Orbigny, Morton, Haliburton und Ritchie, ten Kate, Ehren
reich, Porte u. a. für den Süden dieses Kontinentes), Asien, Inselarchipel
und Afrika von neuem zu der Vermutung gedrängt, dass die Pygmäen Ur-
rassen darstellen, die zuerst in die Erscheinung getreten sind und durch
Mutation die hochgewachsenen Rassen aus sich haben hervorgehen lassen.
Dr. Buschan-Stettin.