B. Referate. Anthropologie.
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andererseits aber auch die grössten Geistesheroen in ihrem Entwickelungs
gange den Einflüssen des Milieu nicht sich zu entziehen vermögen. Vielmehr
ist jede wissenschaftliche Individualität Produkt innigsten Zusammenwirkens
beider Arten von Faktoren. — Virchows Stellung zur Entwickelungslehre ist
Gegenstand eingehender Besprechung. Ob er im Punkt des Pithecanthropus
als endgültig geschlagen zu betrachten ist, dürfte nach des Ref. Ansicht
doch nicht so ganz sicher sein. — Die Bedeutung Virchows für die Ent
wickelung -der Anthropologie in Russland vfod mit grosser Wärme und
vollster Anerkennung dargestellt. Dr. Richard Weinberg-Jurjew (Dorpat).
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264. Charles de Ujfalvy: Le type physique d’Alexandre le Grand
d’après les auteurs anciens et les documents iconographiques.
Mit 22 Lichtdruckbildern und 86 Abbildungen im Text.
Paris, Alb. Fontemoing, 1902. 183 S. gross Quart.
Ein Prachtwerk, das schon durch seine künstlerisch-wertvollen Dar
bietungen besticht. Der Verf., der früher bereits ähnliche Studien unter
nommen hat, legt hier dem Leser alle schriftlichen und bildnerischen Urkunden
vor, die auf Alexander den Grossen bezüglich, vom Altertum bi^ zur Neuzeit
erhalten geblieben sind. Er vergleicht sie kritisch und prüft ihren Ursprung.
Am Schlüsse seiner mühevollen Untersuchungen schildert er den körperlichen
Typus des grossen Eroberers wie folgt: „Alexander hatte einen länglichen
Schädel von nicht bedeutender Höhe. Die breite Stirn von unerhörter
Mächtigkeit war in ihrem oberen Teile etwas fliehend, während der untere
Teil stark hervortrat und die Augenbrauenhöcker ausserordentlich vorstehen
liess. Die Augenbrauenbogen waren kräftig gezeichnet und bildeten bei
ihrer Vereinigung mit dem Schläfenbein eine Hervorragung, die das tief in
seiner Höhle liegende Auge beschattete. Das dunkelblaue Auge hatte dicke
Lider und war von länglicher Form. Dass Alexander verschiedenfarbige
Augen gehabt habe, ist nicht erwiesen. Die Einsenkung zwischen der
Glabella und der Nasenwurzel war ausgeprägt, die Nase leicht gebogen, von
mittlerer Länge und wohlproportioniert. Der feingeschnittene Mund war
klein zu nennen; die Lippen mittelstark, nicht ohne Sinnlichkeit, das Kinn
hervorragend, fest, die Wange voll. Das ganze Untergesicht Avar stark.
Über der Stirn stieg das dichte, wellige, rötliche Haar in ganz besonderer
Weise empor; es rahmte sie beinahe wie mit Fransen ein. Der Hals war
kräftig, die Schultern breit, der Rumpf mächtig, Arm und Bein gut muskuliert,
die Fessel fein, Hand und Fuss klein. Er hatte eine rosige Gesichtsfarbe
und eine sehr weisse Haut, Avie dies bei den Rot- und Blondhaarigen meist
der Fall ist. Er Avar hochgeAvachsen, schmalgesichtig, schmalnasig und sehr
wahrscheinlich ein echter Langkopf.“ Die meisten dieser Merkmale Avaren
den Macedoniern überhaupt eigen, wenigstens der herrschenden Klasse. Der