Internationales Centralblatt
für
Anthropologie und verwandte Wissenschaften
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herausgegeben und geleitet von Dr. phil. et med. G. BuSChafi, Stettin.
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7. Jahrgang. Heft 4. ¡902.
Hat in dem skandinavischen Norden keine neue Einwanderung
stattgefunden?
Von Dr. med. C. 0. Gr. Arbo, Sanitätsmajor in Cliristiania.
Einige skandinavische Archäologen vertreten noch immer die
Ansicht, dass nach der Steinzeit keine neue Einwanderung nach dem
skandinavischen Norden stattgefunden hat, trotzdem innere Gründe
schon längst zu der Vermutung drängen, dass diese Voraussetzung
nicht zutreffen kann. Es ist nämlich nicht gut anzunehmen, dass
dieser Himmelsstrich dem Schicksale Englands entgangen sein solle,
wo fünfmal Eroberungen stattgefunden haben und demnach die Be
völkerung sich aus 6 verschiedenen ethnischen Elementen zusammen
setzt, zumal da es in Europa überhaupt keinen Landstrich giebt,
den die Völkerwanderung vom 3.—6. Jahrhundert n. Chr. unberührt
gelassen hatte. Schon die grosse Unmasse von Waffen, welche die
Moorfunde der jütländischen Halbinsel zutage gefördert haben, zeigen
deutlich, dass hier grosse Kämpfe stattgefunden haben müssen.
Die Archäologen sind nur imstande, vorgeschichtliche Zustände
zu schildern, nicht jedoch Ereignisse, zudem auch nur Zustände der
höheren, herrschenden Klassen, der Aristokratie; über die grosse
Masse des Volkes wissen sie nur sehr wenig zu berichten, denn diese
war zu arm, um ihre Toten mit wertvollen Beigaben auszustatten.
Ein besseres Hilfsmittel in dieser Hinsicht besitzen wir in der Kra-
niologie, insofern diese uns zu zeigen imstande ist, dass mit den
verschiedenen prähistorischen Zeitabschnitten, welche die Archäologie
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Intern. Centralblatt für Anthropologie. 1902.