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B. Referate. Anthropologie.
rechts von der Geraden ab. Die funktionelle Asymmetrie ist demnach
gleichfalls als eine normale Erscheinung anzusehen.
Was den Ursprung der normalen Asymmetrie des menschlichen Körpers
anbetrifft, so hält Yerf. die physiologische Erklärung, wonach Übung,
spontaner Gebrauch des vorwiegend einen Gliedes dieses zu dem stärkeren
machen soll, für unhaltbar. Auch die Theorie, dass ursprünglich Symmetrie
bestanden habe und dass sich ein Teil der Menschen zu Rechtshändern, der
andere, der überwiegend kleinere Teil, zu Linksern herausgebildet hätte und
diese Eigenschaft durch konstante Übung und Vererbung zu einer dauernden
geworden wäre, genügt nicht, denn sie erklärt ebensowenig das erste Auf
treten dieser Differenzierung, wie die Tliatsache, dass eine linkshändige Frau
bald links- bald rechtshändige Kinder gebiert. Über die wirkliche Ursache
vermag Yerf. auch nur Vermutungen anzustellen. Die Versuche von Darest
über den Einfluss, welchen die Stellung des Embryo im Mutterleibe auf
seine Entwicklung ausübt, scheinen ihm geeignet zu sein, Licht auf diese
Frage zu werfen. Die Stellung des Foetus im Uterus mag dazu beitragen,
dass gerade eine Seite sich stärker entwickelt; möglicherweise ist die
stärkere Entwicklung der einen Beckenhälfte daran schuld. Die letzte Ur
sache scheint ihm indessen auf die Entwicklung des Blutgefässsystems zu
rückzuführen zu sein. Jedoch sind dieses alles nur Hypothesen. Sicher
ist, dass Rechts- und Linkshändigkeit angeboren sind, und dass man nicht
imstande ist durch Erziehung einen Linkser zu einem Rechtser zu machen
und vice versa. _Z>r. Buschan-Stettin.
122- Julius Wolf: Ein neuer Gegner des Malthus. Zeitschrift für
Sozialwissenschaft 1901. Jg. IV, S. 25d—289.
Franz Oppenheimer hat in einem Buch: „Das Bevölkerungsgesetz des
T. R. Malthus und der neueren Nationalökonomie (1901 Verlag f. soziale
Wissenschaften. Berlin-Bern) die Lehre des Malthus einer Kritik mit ab
lehnendem Ergebnis unterzogen. Diese Kritik nebst ihren positiven Ergebnissen
erfährt hier eine Überkritik von wiederum ablehnender Art, die wiederum
in gleiche positive Sätze ausläuft.
Oppenheimer hat vorzüglich zwei Argumente gegen Malthus ins Feld
geführt: 1. Hätte die Bevölkerungsmenge wirklich die Tendenz, über den
Spielraum an Nahrungsmitteln hinauszuwachsen, so wäre eine dauernde
Hebung des Niveaus der unteren Klassen unmöglich. Eine solche hat aber
stattgefunden. 2. Die Theorie von Malthus basiert auf dem „Gesetz der
sinkenden Bodenerträge“, d. h. auf der vorgeblichen Thatsache, dass der
Ertrag des Ackers von einer bestimmten Grenze ab langsamer als die Menge
der in ihn hineingesteckten Arbeit oder schliesslich gar nicht mehr wachse.
Nun sei aber nicht nur die absolute Kopfzahl bei uns gewachsen, sondern
auch das Zahlenverhältnis zwischen der ländlichen und der städtischen