Mit besonderer Nerürksrchtrgung der Ethnologie, der Aulturberhällnisse
und des Welthnndels.
Begründet von Karl And ree.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Emil Deckert.
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Reise nach den neusibirischen Inseln.
Von E. Baron Toll.
Der Theil des sibirischen Eismeeres, dem die neusibirische
Inselgruppe angehört, ist vor wenigen Jahren als Schau
platz eines furchtbaren Unglücks zu trauriger Berühmtheit
gelangt. Hier war es ja, wo die zur Aufsuchung Nordcn-
skjöld's entsandte „Jeanette" unter 77° 13' nördl. Br. am
13. Juni 18«! ihren Untergang fand. Das Schicksal des
unglücklichen De Long und seiner Gefährten ist wohl Allen
noch frisch genug im Gedächtniß.
Das einzige hervorragende und schwer erkaufte Resultat
dieser Expedition war die Entdeckung dreier Inseln nördlich
von Neusibirien.
Diese Entdeckung ist aber von ganz besonderem Interesse,
da tut Anfang unseres Jahrhunderts mehrfach vergebliche Ver
suche gemacht waren, ein Land, das von Nensibiricn aus im
Norden sichtbar gewesen war, zu erreichen.
Die ersten sagenhaften Nachrichten über ein solches,
von „bärtigen Menschen bewohntes Land" entstammen
schon dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Die Entdeckung der neusibirischen Inseln verdanken
wir den Fahrten kühner Elfenbeinsammler und Händler in
dem vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts. Diese
brachten die lockendsten Schilderungen von dem unermeß
lichen Reichthum der Inseln an Knochen einer ausgestor-
benen Thierwelt — besonders der kostbaren Mammuthstoß-
zähne, die zwar schon ans dem Festlande gefunden werden, weiter
nach Norden aber mehr in ihrer Güte zunehmen. Es bildete
sich bald ein lebhafter Handel mit dem Produkte dieser eisigen
Elfenbeinküste, welches zum großen Theile noch heute die
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spärliche Bevölkerung an und zwischen den Mündungen der
großen Ströme Lena, Jana und Jndigirka bei der Anspruchs
losigkeit derselben zu ernähren im Stande ist. Alljährlich
schiffen russische Kaufleute aus Jakutsk mit ihren Waaren —
hauptsächlich Tabak, Thee, Spiritus, Zucker, Schießbedarf,
Kleiderstoffe :c. — die Lena hinab, um dieselben dort gegen
Mammnthstoßzähne und Eisfuchsfelle einzutauschen. Letztere
gelten dabei als Münzeinheit gleich einem Rubel.
Die Preise für das Elfenbein sind je nach der Güte
verschieden, das beste weiße und wenig von Rissen durch
setzte, wie es fast nur an der Küste des Eismeeres oder auf
den Inseln, besonders den nördlichsten, gefunden wird, hat
den Werth von 21 Rubeln pro Pud am Ort, während
der Kaufmann in Jakutsk vom Großhändler schon den
doppelten Preis erhält. Da nun nach Angabe der Elfen
beinsammler bis 7 Pud schwere Stoßzähne gefunden
werden, so ist cs verständlich, daß der Bewohner des
Nordens solchen ihn für das ganze Jahr entschädigenden
Glücksfunden nachgeht, dabei Abenteuer und Entbehrungen
lieber ertragend, als dem mühsamen, zum Theil auch karg
lohnenden Fischfang obzuliegen. Daher werden denn auch die
Inseln häufig, ja die südlichste derselben — die große Ljachow-
Jnsel — alljährlich von Elfenbcinsammlern besucht, die, meist
mit unglaublich geringem Proviant versorgt und aufGänse-
und Rcnthier-Jagd angewiesen, nicht selten verunglücken,
wenn sie durch Hunger gezwungen zu früh die Rückreise
antreten. Sie machen nämlich ans mit Hunden bespannten
Schlitten im Frühjahr die Fahrt über das feste Eis dorthin
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