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Aus allen Erdtheilen.
ihrem früheren Eigner, sei das der Vater oder ein ehelicher
Vorgänger, gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgegeben.
Denn alle, auch die vornehmsten Gattinnen, werden gekauft.
Um das zarter auszudrücken, könnte man vielleicht meinen:
„Der Bräutigam bringt seine Braut durch eine Morgengabe,
die er der Familie entrichtet, in seinen Besitz." Daß dabei
vorher schmählich geschachert wurde, braucht ja der Feinfühlige
nicht zu wissen. In Weibern werden auch alle größeren
Zahlungen, von einem Palaver auferlegte Strafen z. B., ge
leistet, wobei je nach dem Stande erhebliche Werthunterschiede
in Betracht kommen. Eine Hünptlingstochter kann bis zu
6000 Bars (nominell 6000 Schilling) kosten, eine gewöhn
liche Freie bis zu 2000 , Sklnvinen bis zn 800 Bars. —
Will ein Hänptlingssohn eine ebenbürtige Frau nehmen, so
kauft er sich von einem befreundeten Häuptling eine Vollblut-
tochter. Der Preis, den ein solches Verheirathungsgeschäft
dem Vater einbringt, dient dann gewöhnlich dazu, dem ans
die verkaufte Tochter folgenden Sohn ein standesgemäßes
Ehegespons zu erwerben. In Kamerun ist es also von Vor
theil, Töchter und Schwestern zu haben. Im schlinrmsten
Fall, bei einer ideal gleichmäßigen Gruppirung der Geschlechter
in beiden Familien, müssen sich Ein- und Ausgaben schließlich
decken, aber die Väter behalten dann doch noch die angenehme
Erinnerung an das schöne Schachervergnügen oder vielleicht
das noch süßere Bewußtsein einer gelungenen Uebervortheilung.
Es scheint, daß allmählich die Unsitte eingerissen ist, für das
gekaufte Weib immer nur die Hälfte anzuzahlen und die
andere Hälfte auf unbestimmte Zeit schuldig zu bleiben. Eine
Menge Klagen und Streitigkeiten entsprangen aus dieser
Ursache. Zwar bestand ein Gesetz, daß jedes Frauenzimmer
der „Half- and Hals" - Klasse (Sprößlinge von Freien und
Sklavinnen) 800 Bars kosten und nicht eher an den Bewerber
ausgehändigt werden sollte, als bis der ganze Preis erlegt sei.
Aber kein Mensch kehrte sich daran. Die Mädchen werden
nicht selten lange vor Eintritt der Reife vergeben, ohne des
halb sogleich zu ihrem zukünftigen Gatten zu ziehen. Manch
mal aber ist dieser mißtrauisch und nimmt seine Errungenschaft,
die ihm sonst etwa wieder entgehen könnte, sobald als möglich
in Beschlag. Eine Frau aus allererster Familie wird natür
lich höher gehalten, als andere Weiber geringerer Abkunst.
Sie hat ihre eigenen Dienerinnen, braucht nicht zu arbeiten
und ist niemals von der Gefahr bedroht, veräußert zu werden,
es müßte denn sein, daß ihr Mann in einem Kriege vernichtet
würde. Aber auch die Stellung der Weiber im Allgemeinen,
dis der Sklavin mitgerechnet, ist trotz des Gekauftseins und
trotzdem, daß ihnen die ganze, übrigens nicht sehr bedeutende
Feld- und Hausarbeit obliegt, durchaus keine so gedrückte und
niedrige, wie man denken möchte, und es wohnt hier in diesen uns
so sehr befremdenden Verhältnissen viel mehr wahres Menscheu
glück als in Europa. Wenn auch die Sklavin dutzendmal
ihren Herrn wechselt, es macht ihr das bei ihrer glücklichen,
heiteren Gemüthsart viel weniger Kummer als unseren Dienst
mädchen das Antreten einer neuen Stelle. Die Negerin läßt
sich nicht so leicht zum willenlosen Werkzeug niederbeugen,
dazu hat sie einen viel zu selbständigen, der Opposition ge
neigten Sinn. Auch die Weiber ganzer Dorfschaften thun
sich gelegentlich zusammen, um zu striken. So sollen vor
etwa 20 Jahren die sämmtlichen Dualla-Weiber eines schönen
Tages ausgezogen sein und sich irgendwo im Freien ein
Separatdorf gebaut haben, um ihren Männern eine Ver
größerung des ihnen bis dorthin nur sehr dürftig zugemessenen
Hüftentuches abzutrotzen, und der Erfolg soll glänzend gewesen
sein. Die Negerin ist überhaupt ein stark veranlagtes, gern
resolut auftretendes Wesen. Gynokration ist in Afrika
ziemlich häufig, und oft genug findet man auf Handclsstationcn
Weiber postirt, die Interessen ihrer Gatten wahrzunehmen und
zu vertreten. — Eine eigentliche freie Prostitution existirt
nicht, da es ja keine Frauenzimmer giebt, die nicht in festen
Händen wären. Dieselbe wird dadurch ersetzt, daß die Männer
ihre Weiber an die Europäer als Concubinen vermiethen.
Aus solchen unsauberen Verhältnissen entspringen nicht selten
Situationen von einer Gemeinheit, die jeder Beschreibung spottet."
— G. A. Krause, welcher von Akkra an der Gold
küste nach Timbuctu aufgebrochen war (vgl. „Globus", Bd. 51,
S. 110 ), hat einen nicht unbedeutenden Erfolg erzielt, indem
er quer durch eines der unbekanntesten Gebiete Afrikas, näm
lich das vom Niger in weitem Halbkreise umflossene Land,
wirklich bis in die Nähe von Timbnctu vorgedrungen ist.
Zuerst erreichte er das einst berühmte Königreich Mossi,
wohin die Portugiesen im 16. Jahrhundert eine Gesandt
schaft schickten, die aber ihr Ziel nicht erreichte. Am 26. Ok
tober 1886 verließ Krause Wago-dugu (Woghodogho unserer
Karten), die Hauptstadt von Mossi und gelangte im November
nach Banban im Reiche Massina, dessen König er in seiner
Hauptstadt Bandschagara aufsuchte. Aber er erhielt den Be
fehl, zurückzukehren und mußte etwa 230 km vor Timbuctu
umkehren. An: 24. April 1887 befand er sich in der Handels
stadt Salaga, wohin er über Mossi und durch das nördliche
Asante gelaugt war, und wollte von dort nach Togo-Land reisen.
— In Folge eines Streites zwischen Frankreich und
dem Sultan von Badibu (am nördlichen Ufer des Gambia-
Flusses, 44 km oberhalb von dessen Mündung bei der eng
lischen Stadt Bathurst) ist in Badibu die französische
Flagge gehißt worden. Frankreichs Grenzen sind dadurch
um einen halben Breitengrad nach Siiden vorgeschoben
worden. Frankreich unterhandelt gleichzeitig mit Groß
britannien über die Abgrenzung des beiderseitigen Einflusses
in jenen Gegenden, wie es früher mit Portugal unterhandelt
und dieselben festgestellt hat.
— Der vom Oberstlieutenant Gallioni geleitete Feld
zug des letzten Winters hat dem französischen Senegal-
gebiet, für welches schon der Name „Sudan français"
vorgeschlagen wird, einen gewaltigen Zuwachs gebracht. Man
hatte es mit drei Gegnern zu thun, dem Marabut Mahmadu
Lamin am oberen Senegal, dem Sultan Ahmadu von Segu
Sikoro am Niger und mit dessen Nebenbuhler Samory am
linken Ufer des oberen Niger, und gegen alle drei war man
glücklich. Mahmadu Lamin wurde verjagt und trat auf
englisches Gebiet über, die beiden anderen erkannten die
französische Oberherrschaft an, welche nun gegen Südwesten
vom Senegal bis an den Gambia, zwischen 9° und
11 ° n. Br. bis an das Meer und weiter südlich bis au die
englische Kolonie Sierra Leone und die Republik Liberia
heranreicht und außerdem auf dein rechten Ufer des Niger
noch einen Theil des Landes Segu umfaßt. — Auf dem
N i g er schwimmen jetzt schon zwei Kanonenboote, der „Niger",
der zn Anfang Juni Kabara, den Hafen von Timbnctu, be
suchen wollte und der an Ort und Stelle aus afrikanischem
Holze erbaute „Mage".
— Der im Aufträge des französischen auswärtigen
Ministeriums reisende Camille Douls (s. „Globus",
Bd. 51, S. 255), welcher bei Kap Bojador landete und,
wie es scheint, von da nach Timbuctu wandern wollte, wurde
sehr bald von den Eingeborenen geplündert und mußte nm-
kehren. Eine Karawane brachte ihn über Tendus nach
Ogilmim, von wo er nach Maraksch geschafft und ins Ge
fängniß geworfen wurde, ans welchem ihn erst die Da-
zwischenkunft des englischen Ministerresidenten befreite.
Inhalt: Prshewalski's dritte Reise in Central-Asien. VII. (Mit sechs Abbildungen.) — Dr. Pauli: Am Ogvwe. II.
(Schluß.) — Otto Genest: Kapitän Jacobsen's Besuch bei den Koreanern. I. — Chr. Ausser: Die Mazamorra in
Bolivien. — Aus allen Erdtheilen: Asien. — Afrika. (Schluß der Redaktion: 3. Juli 1887.)
Redakteur: Dr. N. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, 111 Tr.
Druck und Verlag von Friedrich View eg und Sohn in Braunschweig.