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Nus allen Erdtheilen.
charakteristisch, daß sich Juden tut Lande nicht halten können
(nur in Pola leben einige), weil nach einem istrischen
Sprichworte der Einheimische das Wuchergeschäft viel
besser versteht.
Die Lachen und Pfützen, aus denen die Leute für sich
und ihre Hausthiere häufig das Wasser nehmen müssen,
sind entschieden sanitätswidrig, aber trotz dieser Erkenntniß
ist man in vielen Orten noch nicht daran gegangen, eine
angiebige Cisterne herzustellen. Die Wassernoth ist an
einzelnen Punkten sehr groß. Zur Zeit der Trockenheit
machen die Schisser z. B. ein gutes Geschäft, wenn sie in
Tonnen Wasser von der Quietomündung nach Parenzo
liefern. Ja selbst Pola, das eine Garnison von fast 8000
Mann zählt, ist der Wassernoth ausgesetzt. Durch Bohrung
artesischer Brunnen, die freilich, wie die Franzosen in Algier
gethan, auf Staatskosten zu erfolgen hätte, ließen sich viele
Orte mit Wasser ganz entschieden reichlich versorgen und
wären für den Ackerbau die Aussichten weitaus günstiger
zu gestalten. Wenn man bedenkt, was der Kanton Wallis
zur Bewässerung seiner Hochalpen für Geld ausgelegt hat,
muß man sich billig wundern, daß ein großer Staat für
eine ganze Provinz bisher, von Pola abgesehen, so gut wie
nichts gethan hat. Eine Besserung der Verhältnisse läßt
sich zuni Theil von den Fremden erwarten. Den Anstoß
dazu gab der Südbahudircetor v. Schüler durch den Ankauf
der Villa Chorinsky in Abbazia für die Südbahn, die heute
das Kurhaus bildet. Abbazia ist jetzt ein Winteraufenthalts
ort geworden, der Nizza, Mentone rc. schon fühlbare Con-
currenz macht. Lussin folgt schon nach. Der österreichische
Tonristenklub hat sich um die Erforschung der Höhlen
gekümmert und ist außerordentlich thätig, die Schönheiten
Istriens zu erschließen. Ihm verdankt man auch die
Erbauung der Stephaniehütte auf dem letzten Sattel des
Monte Maggiore, der heute wegen der bequemen Ersteigung
schon stark besucht wird *). Es unterliegt wohl kaum einem
Zweifel, daß die landwirthschaftliche Lage und das Klima
so viel Zugkraft haben werden, manche Orte zu beliebten
Stationen für Herbst, Winter und Frühjahr umzugestalten.
Die Gegend an der Südwcstseite des Monte Maggiore
am Cepwsec bei Chersano, Pedena und Gallignana ist ganz
dazu angethan, in dieser Hinsicht ins Auge gefaßt zu werden.
Von den Einheimischen ist dies freilich nicht zu erwarten.
Giebt cs doch seit Jahren eine „Società degli Alpinisti
Istriani“, die meines Wissens für die Erschließung des
Landes so gut wie nichts gethan hat und ihre Hauptaufgabe
darin erblickte, für die Mitglieder auf Ausflügen eine Unter
haltung zu bieten.
Wenn ich schließlich noch einen Blick auf die einzelnen
Städte und Flecken werfe, so wäre da zunächst Pola
I Es mag hier gestattet sein, daraus hinzuweisen, daß ich
schon vor vier Jahren gelegentlich der Schilderung einer Be
steigung desselben in der Triester Zeitung für die Erbauung
eines Unterkunftshauses und einer damit zu verbindenden
Wetterwarte, welche telegraphisch (jetzt telephonisch) mit Fiume
zu erwähnen mit einer Bevölkerung von rund 26 000
Köpfen. Die Zeit wird wohl nicht fern sein, daß diese
politisch, commerciell und strategisch bedeutendste Stadt
wieder die Hauptstadt des Landes werden wird, wie sie cs
ehedem gewesen. Rovigno treibt nicht unbeträchtlichen
Handel, weshalb bisher auch eine Handelskammer dort
ihren Sitz hatte. Die Lage der Stadt mit der sehens-
werthen St. Euphemiakirche ist sehr malerisch, im Inneren
jedoch ist sie düster und leider auch sehr unreinlich. Parenzo
(2825 Bewohner) ist Sitz des Landtages und besitzt ein
reichhaltiges Landesarchiv. Die Domkirche ist eine der
ältesten (ans der Zeit König Theodorich's herrührend) und
schönsten der uns überhaupt erhaltenen. Capodistria (8646
Einwohner) hat den Namen häufig gewechselt, denn ursprüng
lich hieß sie Acgida, später Capris, dann Justinopolis nach
Kaiser Justinus II. von Byzanz, endlich erhielt sie als
Hauptstadt von Benekianisch-Istrien ihren jetzigen Namen.
Sie hat auch den venetianischen Charakter am reinsten
bewahrt. Unter ihren Bürgern waren zu allen Zeiten
hervorragende Männer der Kunst und Wissenschaft. Eine
große Strafanstalt für das ganze Litorale besteht schon seit
langer Zeit. Pirano (7387 Einwohner) ist die Heimath
des berühmten Musikers Giuseppe Tartini (1692 bis
1770). Umago mag deswegen erwähnt sein, weil sich hier
eine starke säkulare Bodensenkung konstatiren läßt, denn die
Römerbauten stehen längst unter Wasser. Montana ist
eine steil ansteigende alte Stadt, noch immer mit Mauern
wohl versehen, so daß sie ein treffliches Bild einer istrischen
Kleinstadt aus dem Mittelalter zu bieten vermag. Hier
erblickte Andrea Antico das Licht der Welt, der 1517
den Druck von Musiknoten in beweglichen Zeichen erfand.
Pisino (3346 Einwohner) mag als drastisches Beispiel
gelten, daß der wohlgemeinte Versuch des Staates, durch
Cumulirung von Aemtern einzelnen Städtchen aufzuhelfen,
völlig fehlschlug. Da das Militär schon seit längerer Zeit
nach Pola verlegt wurde, mit dem Gymnasium dies bald
der Fall sein wird, ist auch keine Aussicht für materielle
Hebuug der alten Hauptstadt von Oesterreichisch - Istrien
vorhanden. Das wegen seiner vorgeschobenen Lage auf der
Hochebene eine weite Fernsicht darbietende Albona (2249
Bewohner) ist die Heimath des muthigen Streiters der
Reformationsperiode, Flacins Jllyricus (1520 bis
1575), der eigentlich Vlacich-Francovich hieß. Das
Geschlecht seiner Mutter Giacomina Luciani hat sich
bis heute erhalten und dem Lande einen namhaften Gelehrten,
Dr. Tommaso Luciani, gegeben. Lussin Piccolo, Cherso
und Veglia bieten wohl nichts Besonderes.
Wenn diese Skizze Einiges zur Kenutniß des Landes
Istrien in weiteren Kreisen beizutragen geeignet befunden
würde, hätte der Verfasser seinen Zweck vollkommen erreicht.
(jetzt Abbazia) verkehren könnte, Stimmung zu machen versucht
hatte. Die Aussicht vom Monte Maggiore ist wohl eine der
eigenartigsten und schönsten in Europa.
Ans allen
Europa.
— Auf S. 187 ff. des laufenden Bandes waren die drei,
zu Wolfenbüttel und Prag aufbewahrten Handschriften des
„Hans Dernschwam'schen Reisetagebuches", die
uns allein zu Gebote standen, als Abschriften zweiter Hand
bezeichnet worden. Wie uns jetzt Herr Dr. Dobel, Archivar
E r d t h e i l e n.
des fürstl. Fugger'schen Archivs in Augsburg, gefälligst mit
theilt, ist vor einiger Zeit die unterwegs geführte Original-
niederschrift des Tagebuches aufgefunden worden in der
Bibliothek des Fugger'schen Schlosses Babenhausen au der
Günz (mitten zwischen Augsburg, Ulm itttb Kempten ge
legen).