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Dieulafoy's Ausgrabungen in Susa.
Arabischer Reiter mit seinen Kindern.
Dafür aber erschien auf der Straße von Dizsul Her-
Mirza Abdul Karin, welchen man nicht so bald erwartet
hatte, in Begleitung eines Said — wenn man wenigstens
von seiner riesigen blauen Kopfbedeckung aus seinen Rang
schließen durfte — und etwa eines Dutzend Mollahs mit
nicht weniger umfangreichen Turbans. Alle begaben sich
in das Grab Daniel's, kamen dann zum Lager, erkundigten
sich nach der Ursache, warum die Fremden so rasch das
Danielgrab verlassen hätten und entfernten sich wieder, als
Dieulafoy entgegnete, daß die Ausgrabungen seine bestän
dige Anwesenheit auf den Ruinenhügeln erforderten. Abends
bemerkte man den Said mit dem blauen Turban eiligst
auf der Straße nach Dizful reiten.
Am 1 . März nahmen die Ausgrabungen auch wirklich
ihren Anfang; aber die ganze Arbciterschaar bestand nur
aus einem alten Araber, der sich in Ermangelung von
etwas Besserem von jungen Diesteln nährte, einem Ein
äugigen, dem halb verhungerten Sohne einer Wittwe, zwei
Soldaten des Mirza Abdul-Kaim, und zuletzt den Dienern
und Mitgliedern der Expedition. Zunächst wollte man an
einigen Stellen recognosciren und nahm darum eine Ziegel-
mauer, die unweit der Zelte aus einem Schutthaufen
hervorragte, in Angriff. Bis Mittag war die Mauer 2 m
tief bloßgelegt, aber da nichts zum Vorschein kam, gab man
die Arbeit ans und wandte sich den früher von den Eng
ländern aufgedeckten Säulenbasen zu, welche zu der südöst
lichen Ecke des Achämenidenpalastes gehören. Trotzdem die
Arbeiter den für dortige Verhältnisse reichlichen Tagelohn
von 15 Schahis (ca. l / 2 Mark) erhielten, lockte doch diese
Freigebigkeit keine Nachfolger an, und die Arbeiten nahmen
in Folge dessen in den nächsten Tagen nur einen geringen
Fortgang. Am 5. März jedoch stellte sich ein unbeschäf
tigter Maurer ein, den schon sein Turban als einen Dizfuler
erkennen ließ, Usta Hassan mit Namen, und versprach Erd
arbeiter heranzuschaffen; Dieulafoy verhieß 15 Schahis Lohn
für jeden Mann, ihm als Aufseher aber täglich einen Kran
und außerdem 2 Schahis für jeden von ihm gestellten Mann,
nahm auch sofort seinen Begleiter Dor Ali in Dienst, einen
früheren Soldaten, der sein Handwerk hatte aufgeben müssen,
weil er weder seinen Lohn, noch Pulver für seine Flinte,
noch auch einen Rock erhalten hatte. Schon von diesen
Leuten erfuhr man, daß in Dizful wegen der französischen
Ausgrabungen große Aufregung herrsche und auf dem
Bazar tolle Märchen über die Europäer umliefen; einer
derselben solle sich kopfüber in den Schawur gestürzt haben
in der Hoffnung, auf diesem Wege in die sonst unzugängliche
Grabkammcr Daniel's zu gelangen. Seit vier Tagen sei
er noch nicht wieder emporgekommen, tränke Flnßwasser
und verzehre dazu rohe Fische. Um dies Wunder zu sehen,
hatten sich die beiden ans den Weg gemacht und waren nun
sehr enttäuscht, daß sich die Fabelgeschichte als erfunden
herausstellte. Schließlich kehrten beide nach Dizful zurück,
mit dem Versprechen, wiederzukommen und graben zu
wollen, wenn es der Scheich Daher, der Imam Dschuma
und der Untergouverneur erlauben würden. Am folgenden
Tage zogen einige Soldaten auf ihrem Wege von Dizful
nach Hawize vorüber, von denen sich vier anwerben ließen,
als sie erfuhren, daß zwei ihrer Kameraden bereits be-