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Aus allen Erdtheilen.
gelegt. Dann nimmt man eine junge Birke und bindet
die mit Stroh gefüllte Haut des Opferthieres an dieselbe.
Jetzt folgt die eigentliche Beschwörung von Seiten des
Schamanen. Schließlich wird das gekochte Fleisch gegessen
und nur ein ganz kleiner Theil verbrannt. Die Anwesen
den betreten noch einmal die Jurte, Branntwein wird
verspritzt und damit ist die Ceremonie des Kyryk beendigt.
4. Ein Opfer, an welchem sich ein ganzes Dorf oder
ein ganzer Stamm betheiligt, heißt Taylagan. Auf eine
eingehende Beschreibung desselben, welche die Verfasser
liefern, muß hier verzichtet werden. Im Wesentlichen ist
das Verfahren das gleiche, wie beim Kyryk, nur betheiligen
sich hier viele Personen und es werden mehrere Thiere
geopfert. Auffallend ist, daß alle Frauen fern bleiben müssen;
nur die Männer, Mädchen und Kinder beiderlei Geschlechts
dürfen zugegen sein. Die Zahl der Opferthiere kann sehr-
groß sein, oft sind es 20 bis 30 Pferde und 100 Schafe.
Es sind selbstverständlich nicht alle Opferfeste einander
gleich, insofern als je nach den verschiedenen Gottheiten
gewisse Eigenthümlichkeiten zu beobachten sind; so ist z. B.
das dem Herrn des Feuers geltende Opserfest anders als
das, welches dem Schlangengotte gilt.
5. Heilig.sprechen der Thiere. Es können den
verschiedenen Gottheiten verschiedene Thiere geweiht werden,
so dem Uchan-Chat ein Stier, anderen Gottheiten ein Pferd,
eine Ziege. Das betreffende Thier wird mit Wasser, dem
Thymian und andere Niechmittel beigemengt sind, gewaschen;
dann wird der Gottheit ein Branntweinopfer gebracht,
das Thier mit Bändern geschmückt und zuletzt in Freiheit
gesetzt.
6. Opferfeste, welche zu Ehren sehr hoher Gottheiten
begangen werden, heißen Churai-gargacha; solche sind
das Fest zu Ehren der Gottheit in Ssatinsk, der Gottheit
der Insel Olchon, zu Ehren der östlichen und westlichen
Tengeri n. a. Auf die Einzelbeschreibnng können wir hier
nicht eingehen.
Das Bestreben eines jeden Menschen, líber die Zukunft
etwas zu erfahren, ist so natürlich, daß wir uns nicht
darüber wundern dürfen, auch bei den Burjäten die Neigung
dazu zu finde». Zum Prophezeien und Wahrsagen werden
von den Burjäten sehr verschiedene Gegenstände benutzt,
der Bogen, das Schulterblatt der Thiere, Zinn, Wasser.
Am allerverbreitetsten ist das Prophezeien aus den Rissen
eines gebrannten Schulterblattes.
Beim Wahrsagen mittels eines Bogens wird aus dem
Tone, welchen die mit größerer oder geringerer Kraft an
gespannte Sehne von sich giebt, die Zukunft verkündigt.
Bei Gelegenheit eines dem Wassergotte dargebrachten
Opfers wird in eine mit Wasser gefüllte Schüssel, in welcher
ein Pferdehaar liegt, geschmolzenes Zinn gegossen und ans
der Form des erkaltenden Metalles die Zukunft verkündigt.
In ein Gefäß, welches Wasser oder Branntwein enthält,
werden einige Stückchen Pflanzenmark (von einer Saussurea)
geworfen: das eine Stückchen bedeutet den Hausherrn,
d. h. diejenige Person, welche die Zukunft erfahren will,
die anderen Stückchen bedeuten die Schamanen. Derjenige
Schamane, dessen Stückchen sich mit dem des Hausherrn
vereinigt, muß zum Abhalten des Opfers aufgefordert
werden.
Das Verfahren, aus den Rissen des gebrannten Schulter
blattes eines Schafes zu prophezeien, ist sehr verbreitet.
Die Erklärungen der Schamanen über die Bedeutung der
verschiedenen Risse und Sprünge sind meist gleichlautend:
zwei große einander parallel laufende Längsrisse werden
als der Weg des Lebens und der des Todes bezeichnet; die
Prophezeihung knüpft an das Verhältniß der Länge beider
Linien zu einander und an ihre Richtung an; ist die Lebens
linie länger als die Todeslinie, so ist die Prophezeihung
günstig, weicht die Lebenslinie ab, so droht dem Menschen
baldiger Tod; das Auftreten mehrerer Risse baldige Freude,
Gunst des Himmels, eine bevorstehende Reise, die Noth
wendigkeit, eine bestimmte Handlung vorzunehmen u. s. w.
Aus allen
Europa.
— Am 29. September starb zu Berlin Geheimerath Prof.
Dr. W. Koner im 71. Lebensjahre, in der geographischen
Welt allgemein bekannt als der langjährige verdiente Heraus
geber der „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde" und deren Fort-
setzung, der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin",
welche beide unter den zahlreichen geographischen periodischen
Veröffentlichungen in vorderster Reihe standell und stehen.
— Topinard giebt in der „Uovuo ¿’Anthropologie“
die Resultate der genauen Messungen an den Schädeln ans
den Dolnlens von Lozere. Die dortigen Menschen waren
danach nicht so ausgeprägt dolichocephal, wie die Höhlen
bewohner Frankreichs, sondern bereits mesoticephal, und auch
weniger leptorhinisch. Topinard sucht in ihnen bereits die
ersten Resultate der Mischung der alten höhlenbewohnenden
Dolichocephaleu mit den am Ende der Renthierperiode ein
dringenden Brachycephalen, deren direkteste Nachkommen heute
in der Auvergne und der Lozere wohnen.
— In London findet demnächst ans Anregung der Miß
Mary Brown eine Ausstellung von allen möglichen Gegen
ständen statt, welche sich auf die Entdeckung Anrerikas
durch die isländischen Normannen beziehen. Unter
anderen wird die vollständige Nachbildung eines Wikinger-
Saales vorgeführt werden, möglichst mit echter Einrichtung,
E r d t h e i l e n.
echten Waffen und Gerüchen, ebenso getreue Nachbildungen
der in Norwegen gefundenen Wikingerschiffe rc.
— Die dänische Regierung hat in dem Finanzgesetz für
1888/89, welches dem jetzt versammelten Reichstage vorgelegt
worden ist, die außerordentliche Bewilligung von 68 000
Kronen zur Vermessung und Untersuchung der islän
dischen Gewässer beantragt. In den Motiven wird darauf
hingewiesen, daß seit dem Jahre 1848, wo der Krieg eine
in Vorbereitung begriffene Expedition nach Island zu dem
erwähnten Zweck verhinderte, von dem isländischen Althinge
schon zweimal diesbezügliche Anträge gestellt worden sind.
Große und für den Verkehr wichtige Fjorde, heißt cs in den
Motiven weiter, liegen unvermessen und sind so unbekannt,
daß aus diesem Grunde jährlich mehrere Schiffsvcrluste statt
finden, sowie auch auf vielen Stellen das Anlaufen der Küste
in unsichtigem Wetter wegen mangelnder Kenntniß der um
gebenden Mecrcstiefeu unmöglich gemacht wird. Außer dieser
sehr nöthigen Vermessung wird auch beabsichtigt, eine Ver
messung und Untersuchung der die Insel umgebenden Fisch
gründe vorzunehmen, die jetzt um so größere Bedeutung für
den Staat haben, als das Interesse für die Fischerei bei Is
land in den letzten Jahren in hohem Grade rege geworden
ist, dieses aber der Unterstützung und Anleitung seitens des
Staates bedarf, damit diese einträgliche Fischerei, deren ganzer