Dósiré Charnay's jüngste Expedition nach Aucatan.
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Formen und einen Kranz von hübschen Rosetten auszeichnest
von auswärts nach der Insel gebracht worden sind.
An den nächsten Tagen grub Charnay im Centrum der
Insel, um den dortigen Boden kennen zu lernen, nnd machte
von dem Gipfel einer Pyramide eine hübsche Aufnahme von
der Nordspitze, auf welcher, von Palmen umgeben, zwei
Hütten liegen.
Jaina erinnert an die Insel Bellote, welche der Reisende
1881 besuchte, und die er zum großen Theile aus Küchen
abfüllen bestehend fand, welche von den späteren Indianern
zur Fabrikation des Mörtels für ihre Bauten verwendet
wurden. Ans Jaina aber ist die Oberfläche in der That
eine künstliche, insofern sie zum größten Theile aus Küchen
abfüllen und Gefäßscherben besteht. So ergab eine 1,50 m
tiefe Nachgrabung am Fuße einer Pyramide ein Gemisch
aus Erde, Muscheln von
verschiedenen Arten und
einer Menge von Terra-
eotta-Scherben verschiede
ner Färbung oder mit
Mustern bedeckt, von denen
Charnay eine Sammlung
anlegte. Die Pyramiden
und deren Unterbauten be
decken einen gewaltigen
Raum; sie bestehen aus
einer Art Molassc und sind
mit Hausteinen verblendet.
Mau hat dort eine Säule
von 50 am Durchmesser
nnd mehreren Meter Höhe
gefunden; dicht dabei stieß
Charnay auf zwei riesige,
mit „Inschriften" bedeckte
Platten, deren Charaktere
(katunes) wie in Palengne
im Viereck angeordnet sind
und neben bekannten hicro-
glyphischcn Zeichen Figuren
von Menschen und Thieren
ausweisen. Diese Inschrif
ten sowohl, wie auch zwei,
ans den Rückseiten der Plat
ten angebrachte große Figu
ren sind sehr schlecht erhal
ten; ebenso hat sich von
den Tempeln, welche einst
die Pyramiden krönten,
keine Spur erhalten.
Die Arbeiten gingen
langsam von statten, und
Fundstücke waren selten;
am Rande der Unterbauten fanden sich Massen von
Trümmern und verwitterten Knochen, aber wenig oder
gar keine wohl erhaltene Sachen; alles war durch den
Druck zerstört worden. Als aber Charnay eine Pyramide
öffnen wollte, verweigerten seine Indianer unbedingt jeden
Gehorsam; ihr Widerwillen gegen die verlangte Arbeit aber
rührte nicht nur von der Abneigung her, die sie gegen
jede Veränderung ihrer Gewohnheiten hegen, sondern auch
von ihrer Furcht, an die alten Monumente Hand anzulegen.
Der Majordomus erzählte dem Reisenden, daß sie vor einigen
Jahren einer Pyramide Baumaterialien entnommen hätten,
nnd daß dabei ein Mann durch einen Sturz seinen Tod
gefunden; dies wurde als Werk eines Geistes eines der alten
Indianer angesehen, und seitdem wagten sich die Leute nicht
mehr an die Pyramiden heran. Man habe schon öfter,
Verschiedene, auf Jaina gefundene Gegenstände.
fügte der Majordomus hinzu, zur Nachtzeit einen Zwerg
ans einer Pyramide in die andere gehen sehen, und zu ge
wissen Zeiten verwandele sich derselbe in einen Hahn oder
in ein Krokodil; es sei also thöricht, an die alten Bauwerke
zu rühren. Daraufhin blieb dem Reisenden freilich nichts
anderes übrig, als zu schweigen. Allerdings war die Furcht
nicht der einzige Grund der Widerspenstigkeit, denn auch die
anderen Leute, welche nicht bei den Ausgrabungen beschäftigt
waren, zeigten sich von einer unliebenswürdigcn Seite: der
Fischer brachte keine Fische, man weigerte sich, ihm von den,
im Ueberfluß vorhandenen Hühnern zu verkaufen, und nur
für schweres Geld konnte er anderthalb Dutzend Eier erstehen.
Nur die indianische Köchin blieb immer bei guter Laune
und that ihr Möglichstes, aus den Rohprodukten, welche
aufzutrciben waren, genießbare Speisen herzurichten. So
diente die Insel und selbst
die große Galerie zwei
jungen Haisischfängern zum
Zufluchtsort; Nachts befan
den sich dieselben auf dem
Meere und bei Tage auf
der Insel, um ihren Fang
zu trocknen. Wo und wie sie
schliefen, blieb ein Räthsel.
Von ihnen erhielt Charnay
Haifischfleisch, das mit einer
Tomatensauce ein leidliches
Essen abgab. DonPolicar-
pio brachte ferner Man-
grovewurzcln, welche dicht
mit kleinen Austern besetzt
waren; cs war unmöglich,
dieselben zu öffnen, aber
wenn man sie an das Feuer
legte, erschlossen sie sich von
selbst. Charnay selbst und
Valerio konnten Hunderte
von jenen großen Schnecken
sammeln, von denen ein hal
bes Dutzend genügt, einen
Menschen zu sättigen; wenn
man sie sechs Stunden lang
in Meerwasser kocht, geben
sie ein zwar zähes, aber
wohlschmeckendes Gericht ab.
Dazu kam noch der Ertrag
der Jagd, welche der Rei
sende zur Ebbezeit auf der
Sandbank im Norden der
Insel aus die zahlreich dort
versammelten Möwen, Rei
her, Regenpfeifer nnd Peli-
ware indessen selten, sehr
er bald ans sie verzichtete,
weier Manatis oder La-
kane machen konnte; letztere
scheu und dabei so zähe, daß
Wichtiger aber war der Fang z
mantine durch einen indianischen Bewohner der Insel, was
große Freude in den Herzen seiner Genossen und für
länger als einen Monat Ueberfluß in den Hütten derselben
hervorbrachte. Jedes der beiden Thiere, Männchen und
Weibchen, wog über 300 kg, und es bedurfte der Anstren
gung von acht Männern, um jedes auf das feste Land zu
schaffen. Drei mit langen Messern versehene Leute zogen
der Beute das Fell ab, welches an Dicke der Haut des
Flußpferdes gleichkommt; Kops, Flossen nnd Schwanz wur
den abgeschnitten und der Rest in lange Streifen zertheilt,
die man an der Sonne trocknen ließ. Nun konnte jeder
mann für einen höchst mäßigen Preis sich mit Vorrath ver-