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Aus allen Erdtheilen.
Bekleidet sind die kleinen Schamanen bei den
Krankenheilungen mit den gewöhnlichen An
zügen der Golden, doch tragen sie einen Gürtel, von
welchem nach hinten eine Menge von eisernen Glocken
herabhängen. Außerdem führen sie die übliche Schamanen-
trommel und den dazu gehörigen Schlägel, welcher
letztere flach und mit Fell umwickelt ist, damit der durch
ihn erzeugte Ton möglichst dumpf klingt. Die Trommel
ist ellipsenförmig gestaltet, so daß ihr größerer Durchmesser
ungefähr 75 ein betrügt, und hat einen nur sehr schmalen
Holzrand. Die Eisenstübe oder Götzenbilder an der inneren
Seite, wie sie bei den Burjaten und altajischen Berg-
kalmüken üblich sind r ) und als Handhabe des Instrumentes
dienen, fehlen hier und sind durch ein paar sich kreuzende
Bindfaden ersetzt. In dem Gebrauche dieser Trommel be
sitzen die goldischen Schamanen eine gewisse Virtuosität,
welche Jakobsen in Troitzkoje zu beobachten Gelegenheit
fand. Er hatte nämlich einem in der Nähe dieses Ortes
wohnhaften Oberschamanen, dessen Haus er in dessen Ab
wesenheit besucht hatte, seine sämmtlichen Utensilien weg
genommen und der über diesen Frevel entsetzten Frau des
Zauberkünstlers einen namhaften Betrag Geldes und den
Befehl zurückgelassen, daß sie ihren Mann nach seiner Rück
kehr zu ihm schicken sollte, damit derselbe in aller Form
sein Eigenthum an den Reisenden abtrete. In der That
kam derselbe auch am nächsten Tage nach Troitzkoje und
brachte zwei seiner Untergebenen mit, wie es schien,
um durch Aufbietung dieser Truppenmacht den Reisenden
zur Herausgabe seiner Werkzeuge zu zwingen, was aller
dings nicht gelang. In Folge dessen machten die drei
Heiligen gute Miene zum bösen Spiele, besonders nachdem
sie mit Branntwein reichlich bewirthet waren, und zeigten
Jakobsen sogar noch ihre Künste. Bei dieser Gelegenheit
also bewies einer der anwesenden kleinen Schamanen seine
Virtuosität ini Gebrauche der Trommel. Er schlug das
Instrument bald leise, bald laut; bald nur mit dem
Schlägel, bald auch mit den Fingern der linken Hand, mit
welchen er den Bindfaden an der inneren Seite hielt, so
daß es klang, als ob er zwei Instrumente zu gleicher Zeit
bearbeite. Weiterhin machte er ein Kunststück, das auch
bei unseren Trommlern sehr beliebt ist, indem er von der
Mitte des Trommelfelles aus mit dem Schlägel immer
näher an den Rand heranrückte, so daß der Ton immer
leiser wurde und man zuletzt den Eindruck hatte, als ob in
weiter Ferne getrommelt werde. Während dieser ganzen
Knnstleistung sang der Schamane fortwährend improvi-
0 a. a. O. S. 14.
sirte Worte vor sich hin oder rief) ete dieselben auch an
den einen oder anderen aus der ihn umgebenden Gesell
schaft. Er vermochte letzteres dadurch, daß er die Trommel
ganz dicht an seinen Mund hielt und die Kante derselben
nach der Person hinrichtete, welche er anreden wollte. In
dem sich nun der Ton an der Trommel fortpflanzte, ver
stand der Angeredete die Worte des Schamanen, während
die hinter dem Rücken des Sprechenden befindlichen nur
ein undeutliches Gemurmel vernahmen. Auf diese Weise
ließ auch der Schamane seinen Aerger an dem mit an
wesenden russischen Pfarrer von Troitzkoje ans, welcher, wie
oben mitgetheilt, sich bei den heidnischen Golden der Um
gegend dadurch sehr mißliebig gemacht hatte, daß ans seine
Anregung Goldenkinder in die russische Schule gesteckt
waren, um christlich erzogen zu werden. Bei den in Folge
dessen ausgebrochenen Unruhen hatten die aus Chabarowka
herbeigerufenen Soldaten aus einem Streifzuge dem Scha
manen neben anderen Dingen auch seine Trommel entführt,
und es war ihm erst vor Kurzem gelungen, eine neue an
Stelle der verlorenen sich zu verschaffen. Diese Verhältnisse
machte er zum Inhalt eines Schmähgesanges, in welchem
er den Priester verspottete, weil er ihn nicht habe hindern
können, eine neue nnd vor Allem eine viel bessere Trommel
zu erwerben, als seine frühere gewesen wäre I. Auch einen
Tanz führte der Schamane bei diesem Besuche dem Reisen
den vor, wie er ihn bei den Krankenheilungen zu executiren
pflegt. Derselbe besteht zunächst in einem Drehen des
Unterkörpers nach rechts und links, in Folge dessen die von
dem Gürtel nach hinten hinabhängenden Glocken ertönen,
dann erfolgt ein Wiegen des Oberkörpers in den Hüften,
während die Beine in schnellem Wechsel über einander ge
schlagen werden, endlich aber wird daraus ein langsames
Hüpfen um den inneren Rand der Hütte herum von rechts
nach links. Da alle diese Bewegungen von dem Trommel
schlage und dem Gesänge des Schamanen begleitet werden, so
kann man sich denken, daß durch diese Handlung ein ziemlich
großer Lärm verursacht wird; dagegen hatte Jakobsen bei die
ser Vorstellung nicht die beängstigende Empfindung, welche
ihm der Tanz des burjatischen Schamanen 2 ) verursacht hatte.
0 Es ist bemerkenswert, daß die Sitte, den Gegner durch
Gesang zu verhöhnen, auch bei den Eskimos, besonders bei den
grönländischen, von dem Reisenden mehrfach beobachtet wurde.
Auch hier kam die Trommel dabei zur Anwendung und auch
die Geberden der Eskimos waren denen des goldischen Scha
manen sehr ähnlich; namentlich siel dem Reisenden die Gleich
heit der bald drohenden, bald neckenden Bewegungen, sowie
das Sprühen und Blitzen der Augen bei beiden Völkern auf.
2 ) Vergi, des Verfassers Aufsatz in Nr. 1 des lausendes
Bandes dieser Zeitschrift, S. 15.
Aus allen Erdtheilen.
Inseln des Stillen Oceans.
— Ans der in diesem Jahre in London abgehaltenen
Imperial Conference sämmtlicher englischer Kolonien kain es
in der Neu-Guinea-Frage zum Ausgleich zwischen Groß
britannien und den australischen Kolonien. Die letzteren
verpflichteten sich, vorläufig auf sieben Jahre, zu einem jähr-
Jnhalt: Desirtz Charnay's jüngste Expedition nach Pucatan. I. (Mit sechs Abbildungen.) — Dr. H. Simroth: Ponta
Delgada aus San Miguel (Azoren.) II. (Schluß.) (Mit einer Abbildung.) — Pros. H. Kiepert: Hans Dernschwam's orientalische
Reise 1553 —1555. II. — Otto Genest: Kapitän Jakobsen's Reisen im Lande der Golden. III. — Aus allen Erdtheilen:
Inseln des Stillen Oceans. (Schluß der Redaktion am 8. September 1887.)
lichcn Beitrage von 15 000 Pfd. St. zu den Verwaltungskosten,
nnd England übernimmt von dem Augenblicke an, wo dieser
Vertrag vom Parlamente der Kolonie Queensland anerkannt
ist, anstatt des bisherigen Protektorats die Souverainität
über das Gebiet. Queensland garantirt unbeschränkt die ganze
obige Summe und hat sich mit den anderen Kolonien wieder
über deren Quotcnzahlung zu einigen.
Redakteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, 111 Tr.
Druck und Verlag von Friedrich V i e w c g und Sohn in Braunschweig.