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Aus allen Erdtheilen.
theilung der aus Erde ohne Steine und Balkenlagen errichteten
Burgwalle, welche der Verfasser den Slaven zuschreibt. In
den Kurganen unterscheidet er drei verschiedene Rassen,
Dolichocephalen, wahrscheinlich Ugrer aus vorhistorischer Zeit,
Brachycephalen, wahrscheinlich den Westfinnen, Vessen, Mera
und Muroma zuzurechnen und damit vergesellschaftet die
Aschenurnen slavischer Haudelskolonien. Die interessanten
Zusammenstellungen über die damaligen Handelsstraßen haben
wir an anderer Stelle (s. oben S. 111) eingehender gegeben. —
Die Heimath der Ungarn sucht Piß im Wolgabecken; ihre
Wanderung nach Südwesten begann um 840 n. Chr., 889
gingen sie über den Dniepr, 894 brachen sic, wahrscheinlich
iiber die nördlichen Karpathen, zum ersten Male in Pannonien
ein, die bleibende Ansiedelung datirt von 900. Ihre Wan
derung wurde wahrscheinlich durch einen Einbruch der Pe-
tschenegen hervorgerufen, hinter denen wieder die Kumanen
drängten; sie wandten sich erst nach den Karpathen, als sie
in dem mit den Byzantinern gemeinsam unternommenen An
griff ans die Bulgaren von Symeon eine schwere Niederlage
erlitten hatten. Ko.
— Der bekannte Reisende, Kapitän der italienischen
Marine, Giacomo Bovc, hat sich am 9. August 1887 bei
Verona in einem Fieberanfalle erschossen.- Er war geboren
1852 in Maranzana in der Provinz Acqui, begleitete schon
als Jüngling den Ingenieur Giordoue nach Borneo und
Japan und wurde bekannt durch seine Theilnahme an Rorden-
skjöld's Umsegelung von Asien auf der „Bega" (1878 bis
1879), während welcher er die hydrographischen Arbeiten
ausführte. Rach der Rückkehr versuchte er vergeblich, eine
Südpolarfahrt von Italien aus ins Werk zu setzen uitb begab
sich Ende 1881 nach der Argentina, wo er Gelegenheit
fand, die Misiones, das südliche Patagonien und Feuer-
land zu besuchen. Sein Reisewerk „Patagonia, Terra
del Fuoco etc.“ erschien 1883. Zuletzt betraute ihn die
italienische Regierung mit einer Mission nach dem Congo-
Staate, über dessen Zukunft er, wie bekannt, sich in seinem
officiellen Berichte sehr ungünstig geäußert hat. Bei seiner
Rückkehr nahm er den Abschied aus der Marine und wurde tech
nischer Director der Schiffahrtsgesellschaft „Veloce,, in Genua.
— Im Juni dieses Jahres starb, 81 Jahre alt, auf dem
Dorfe Kuzenevd (?) bei Moskau der russische Staatsrath und
frühere Erste Sekretär der russischen Gesandtschaft in Teheran,
Baron de Bode, Verfasser des noch heute geschätzten
Reisewerkes „Travels in Tnristan and. Arabistan“.
— Seitens der englischen und französischen Regierung wird
der demnächst zu eröffnenden Eisenbahnlinie Pest-
Belgrad-Salonich i bereits eine erhöhte Aufmerksamkeit
zugewendet. In den betreffenden Vereinbarungen mit de»
den indo-chinesischenDienst versehenden Schiffahrts-Compagnien
ist, wie der „Pester Lloyd" schreibt, für einen neu einzulegen
den Kurs von und nach Salonichi bereits vorgesorgt. Im
neuen Schiffahrts- und Postvertrage der französischen Regierung
mit den Messageries Maritimes ist unter anderem eine
vierzehntägige Linie Port Said-Salonichi und zurück (mit
Schnelldampfern) mit Anschluß in Port Said an die indo
chinesische Linie stipulirt, was darauf hindeutet, daß an die
Eröffnung der in Rede stehenden Eisenbahnlinie hinsichtlich
der Vermittelung des mitteleuropäisch-überseeischen Verkehrs
gute Hoffnungen geknüpft werden. Dem Beispiele Englands
und Frankreichs will auch Deutschland folgen, dessen snb-
ventionirte Fahrten vermittels des „Norddeutschen Lloyd"
nach Ostasien und Australien bekanntlich zum Theil über das
Mittelländische Meer gehen, so daß neben dem Auslaufhafen
Genna eventuell auch eine Zweiglinie von Salonichi etablirt
werden soll. Diesen Bestrebungen schließt sich auch der
österreichisch-ungarische Lloyd an, der selbstverständlich ein
Interesse hat, au dem zwischen Salonichi und Aegypten,
bczw. dem Suezkanal stattfindenden Verkehr zu participiren.
Aste n.
— Ueber die Verhältnisse des Grundbesitzes in
Syrien macht Gnthe in seinem Prachtwerke „Palästina in
Bild und Wort" (II, S. 170) folgende Mittheilungen. Das
beste Land, besonders der größte Theil der Ebene Saron
und der großen Ebene zwischen dem Tabor und dein Karmel,
ist Staatsgut und heißt Ard Miri, d. h. dem Emir (Fürsten
oder Sultan) gehöriges Land. Solche Grundstücke werden
von der Regierung an ganze Dörfer oder an einzelne Personen
verpachtet, und der Pächter hat für das Recht des Bebauens
den Zehnten des Ertrages an die Staatsbehörde zu entrichten,
darf das Land aber selbstverständlich weder vererben noch
verkaufen. Daneben giebt es Ard-Wakf, d. h. Stiftungs
oder Vermächtnißland. Der Landesherr oder ein wohlhaben
der Privatmann hat dasselbe testamentarisch einer Moschee
oder einem anderen Heiligthume, auch Schulen und Wohl-
thätigkeitsanstalten vermacht mit der Bestimmung, daß der
Ertrag zum Besten der frommen Stiftung verwandt werden
soll. Solche Ländereien werden unter denselben Bedingungen
wie die eigentlichen Staatsgüter verpachtet, nur daß der
Zehnte nicht an die Regierung, sondern an den Verwalter
der frommen Stiftung abgeliefert werden muß, der seinerseits
einen Antheil von dem entrichteten Zehnten für sich behalten
darf. Diese Verwaltung der Wakfgüter ist für manche arme
Effendifamilie eine willkommene Einnahme, bringt aber leider
viele Personen in die schlimme Versuchung, die Einkünfte der
ihrer Aufsicht anvertrauten Ländereien selber zu „essen", wie man
sich in Syrien auszudrücken pflegt, anstatt sie der milden
Stiftung zufließen zu lassen. Die dritte Klasse des Bodens nennt
man Ard Mnlk, d. i. Eigenthum; sie umfaßt meist nur kleinere
Grundstücke, die gewöhnlich mit trockenen Mauern aus Feld
steinen oder mit Kaktushecken eingefriedigt sind. Diese kann
der Eigenthümer ganz nach seinem Belieben vertauschen oder
verkaufen; doch sucht die türkische Regierung neuerdings auch
diese Angelegenheit unter ihre Aufsicht zu bringen. Da die
Bevölkerung in Palästina an Zahl gering und außerdem im
Durchschnitt faul und träge ist, so liegen namentlich in den
unfruchtbareren Gebirgsgegenden große Strecken des Bodens
völlig brach. Wer solch „todtes", d. i. schon seit langer Zeit
unbebautes Land „belebt" oder urbar macht, erwirbt cs sich
dadurch zum Eigenthum oder Mnlk. Wird ein Grundstück
herrenlos, sei es, tueil die Eigenthümer ausgestorben oder
weil die bisherigen Besitzer mit der Bezahlung der Steuern
zu sehr in Rückstand gekommen sind und deshalb ihr Dorf
verlassen haben, so fallen die Ländereien, gleichviel, welcher Klasse
sie früher angehörten, ohne Ausnahme an den Staat zurück.
— Mc Carthy, der Regierungsvermesser von Siam, ist
kürzlich mit einer Anzahl trefflicher Karten dieses Landes,
welche die Ergebnisse siebenjähriger Aufnahmearbeiten dar
stellen, nach England zurückgekehrt und arbeitet dieselben nun
in den Räumen der R. Greographical Society ans.
Inhalt: Prof. L. v. Loczy: Die Umgebung von Hsi-ning-su in der chinesischen Provinz Kan-sn. (Mit fünf Abbildun
gen.) — Dr. W. Sievers: Zur Kenntniß Venezuelas. III. (Schluß.) — O. Genest: Kapitän Jakobsen's Reisen im Lande
der Golden. II. — Kürzere Mittheilungen: Bevan's Forschungsreise in Englisch-Neu-Gumea. — Aus allen Erdtheilen: Europa.
— Asien. (Schluß der Redaktion am 28. August 1887.)
Redakteur: Dr. N. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, III Tr.
Druck und Verlag von Friedrich View cg und Sohn in Braunschwcig.