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Oscar Baumann: Die Araber an den Stanley-Fällen des Congo.
oder Uganda, Nachricht von den Arabern Masrs (Aegyptens)
und ihren Kriegen mit den Engländern zugekommen, doch
kann man als sicher annehmen, daß weder ein Sansibarit
jemals den Nil, noch ein Sudan-Araber jemals den Congo
ans directem Wege erreicht habe. Letzterem scheint ein Ans
spruch Stanley's zu widersprechen, welchem die Basoko mit
theilten, daß sie einst von einer ans dem Norden Aruwimis
abwärts kommenden arabischen Raubschaar überfallen wor
den wären. Dies erklärt sich jedoch dadurch, daß Tippo
Tip, nachdem er die Stanley-Fälle überwunden, eine Ab
theilung direct nach dem Norden entsandte, welche den
oberen Aruwimi erreichte, stromabwärts befuhr und die
Dörfer der Basoko plünderte.
Eines freilich ist den Arabern der Ostküste und des
Sudan gemeinsam, Raubzüge nach Elfenbein und Sklaven
bilden ihre fast ausschließliche Beschäftigung. Dennoch
Boot der Wagenia mit Blätterdach.
glaube ich, daß die ersteren besser geartet sind. Fanatismus
fehlt ihnen fast gänzlich; zwar sind sie selbst Mohammedaner,
doch bemühen sie sich kaum, Proselyten zu machen. Nicht
nur die Eingeborenen, sondern auch ihre Leute, die Mata-
matambas, können ihre heidnischen Gebräuche nach Herzens
lust ausüben und täglich kann man in den arabischen La
gern den religiösen Hocuspocus der Manyema-Sklaven
mit ansehen.
Die Behandlung der Sklaven ist für Centralafrika
keineswegs grausam; bei jedem Raubzuge fällt auch ihnen
ein Gewinnstantheil zu, und unter der Leitung der erfahrenen
sansibaritischen Landwirthe leben die meisten in größerem
Wohlstände, als ihre nominell freien Stammesgenossen.
Auch gegen WeißeAhaben die Araber sich stets freundlich
bewiesen, so langeZdieselben ihnen nicht offene Opposition
machten. Und diese ist ihrer ungeheuren Macht gegenüber-
vollständig zwecklos ; einzig durch kluges, diplomatisches Vor
gehen kann vielleicht nach und nach erreicht werden, daß die
Araber wenigstens den schiffbaren Congo mit ihren Raub
zügen verschonen. Diese Erwägung war es wohl auch,
Ruder der Wagenia, von mehr als Manneslänge.
welche Stanley zu dem kühnen Entschlüsse veranlaßte, den
Rüuberhauptmann zum Polizeidirector, Tippo Tip zum
Chef der Division Stanley-Falls zu machen.
Es ist dies ein Experiment; ob dessen Resultat ein
günstiges sein wird, ist von der Zukunft zu erwarten.
Jedenfalls wird die Station am siebenten Katarakte mit
directer Beihilfe Tippo Tip's in verschönerter und ver
größerter Gestalt wieder erstehen. Reisvorräthe werden
den Congo abwärts wandern, vielleicht auch ein Theil des
Elfenbeines der Westküste zu Gute kommen. Daß jedoch
der Sklavenhandel und die Raubzüge deshalb enden werden,
ist natürlich nicht anzunehmen. Dennoch ist dieser Compro-
miß zwischen Arabern und Weißen nicht zu verachten; es giebt
uns die Hoffnung, daß mit der Zeit doch die beiderseitigen
Interessen in Einklang zu bringen und der Zwiespalt
zwischen Morgen- und Abendländern, zwischen Islam und
Christenthum an den Stanley-Fällen zu friedlicherer Lösung
gelangen werde als in Chartum.