Wit besonderer Derüclrsichtigung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet o u Karl Andree.
In Verbindung init Fachmännern herausgegeben van
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhaiidluugeu und Postanstulten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1887 .
Van Pros. L. von Loczy.
Graf Btzla Szächenhi's Expedition brach von Tshing-
tn fu auf der großen Straße, die nach Lhassa führt, gen
Tibet auf. Damals waren wir trotz der Entschuldigungen
des Generalgouverneurs T i n g -ku m - p a o von der Hoffnung
erfüllt, Lhassa erreichen zu können.
Nach einer Reise von drei Tagen
verließen wir die fruchtbare Ebene
von Tshing-tmfu und nach weiteren
drei Tagen überschritten wir bei
Pa-tshou-fu einen wasserrei
chen, reißenden Gebirgsfluß. Diese
Stadt ist in politischer Beziehung
das Thor Tibets und der Nach
bargegenden; von hier werden die
tut NE wohnenden Hsi-fan- und
Man -tßu- Stämme und die süd
westlichen unterworfenen Lolo re
giert. Dort wohnt der Militär-
kommandant, der über die tibeti
schen Festungen den Befehl hat,
und der Schatzmeister, der die
chinesische Besatzung und die Be
amten Tibets mit Geld versieht.
Von hier führt über Ning-
juen-fu auch nach Pün-uan eine
Hauptstraße, an der chinesische
Städte liegen. Der Weg umgeht im Westen das mit
ewigem Schnee bedeckte Gebirge, an dessen Abhängen
die Lolo wohnen; ihre Zahl wird nach chinesischen Daten
auf 350000 geschätzt. Die Niederlassung der Chinesen
westlich von Pa-tshou rührt aus der jüngsten Zeit Her-
Globus LII. Nr. 9.
Achteckige Sternthürme in der Landschaft
Ta- tsiön-lu.
und darf über die Negierung des Kaisers Kien-lnng
(1736 bis 1796) nicht hinaus verlegt werden. Die Chine
sen wohnen zumeist nur au der Straße und leben in fort
währender Angst, da sie von den in der Nähe wohnen
den Einwohnern häufig überfallen
werden, die ihr Vieh wegtreiben
und sie ihrer Lebensmittel berau
ben. In der Gegend von L)a-
tshou sah ich die Bauern mit
Schießwaffen ans die Felder ge
hen. Der gebildetere chinesische
Kolonist befindet sich in einer
Lage, wie der Europäer in frcm-
den Erdtheileu. Der englische
Theepflanzer befindet sich in Assam
den Eingeborenen der Garo- und
Kassia-Berge gegenüber, der nord
amerikanische Farmer den wil
den Sioux-Indianern gegenüber
in ebenso gefährlicher Lage, wie
die chinesischen Landleute im Lande
der Lolo- und Hsi-fan-Stämme.
Obwohl die Eingeborenen stärker
und bessere Krieger sind als die
verweichlichten Chinesen, ist es
doch gewiß, daß aus diesem Kampfe
die kulturell höher stehenden Chinesen siegreich hervor
gehen werden. Jene Ringe, welche längs der Thäler
und Straßen die chinesische Bevölkerung rund um die
unabhängigen Stämme gebildet hat, werden immer enger
und zögert die europäische Forschung noch lange, so wird
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