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Aus alleu Erdtheileu.
muß ein Jeder vollbringen, ehe er heirathen darf, um den
Eltern des Mädchens den Beweis zu liefern, daß er dasselbe
auch ernähren kaun. Oesters verlangt der Vater, daß eine
Giraffe auf diese Weise gelobtet wird. Ist dies gelungen,
so kehrt der Freier nach dem Aufenthaltsorte der Eltern
zurück und setzt sich stillschweigend nieder, indem er stolz auf
den Schweif des getödteten Thieres deutet. Jetzt stürzt Alles,
was laufen kann, ohne daß ihm die Richtung angedeutet
wird, und nur der Spur des Jägers sicher folgend, nach der
Stelle, wo sie das Wild mit Zweigen und Gras zugedeckt
finden. Jetzt wird es zertheilt und nach Hause geschleppt,
wo dann die Heirath stattfindet, indem der Bräutigam seine
Braut an die Hand nimmt und wegführt. Besitzt sie eine
Schwester, so behält er an diese insofern ein Recht, daß, wenn
seine Frau krank wird oder stirbt, er sie zu sich nimmt. —
Diese Mossaro sollen von den Gona-Hottentotten, denen sie
in Sprache und Sitten vielfach gleichen, abstammen.
— Von dem Leiter der österreichischen Congo-Expedition,
Prof. Oskar Lenz, sind eine Reihe von Briefen in Wien
eingetroffen, welche die Fahrt längs der Westküste Afrikas
schildern, und in den „Mittheilungen" der Wiener geogra
phischen Gesellschaft (Bd. 28, Nr. 9) veröffentlicht worden sind.
Wir entnehmen denselben folgende Angaben von Interesse
über Gabun. Wie Lenz hörte, beabsichtigt eine deutsche
Gesellschaft am Fuße des eigentlichen Kamerunpik größere
Strecken Landes anzukaufen, um Plantagen anzulegen. Es
bedarf dazu aber einer genaueren Untersuchung des Bodens,
um nicht in ähnlicher Weise enttäuscht zu werden, wie es in
der Woermann'schen Sibange-Farm bei Gabun der Fall
gewesen ist. Dort hat sich nach jahrelanger kostspieliger Arbeit
herausgestellt, daß die Humusschicht nicht genügend ist für
die Wurzeln der Kaffeebäume und daß eine Lage thonigen
Brauneisensteines (Latent) das Gedeihen der Pflanzen hindert.
Jetzt will man auf dieser Farm versuchen, Tabak anzubauen,
was möglicher Weise von Erfolg sein kann.
Die englisch-amerikanische Mission Baraka in Gabun
ist jetzt in ihrer Existenz gefährdet, da das französische Gou
vernement verlangt, daß dort nur in französischer Sprache
gelehrt werden soll; überhaupt haben die Franzosen in den
letzten Jahren, seitdem Brazza die großen Erwerbungen für
Frankreich gemacht hat, sich den Ausländern gegenüber
schärfer benommen, als es früher der Fall war. Auch den
Handel hat man in empfindlicher Weise durch Einführung
von vcrhültnißmäßig hohen Zöllen geschädigt, so daß in
Gabun gegenwärtig nur eine äußerst geringe Handelsbewe-
gnng stattfindet.
N o r d a m e r i k a.
— M i n c r a l r e i ch t h u m von Arizona. Dem in
haltsreichen Büchlein G. vom Rath's (s. oben S-272) ent
nehmen wir folgende Notizen: Die alten Bergwerke wurden
1855 nach der Besitznahme durch die Union wieder aufgenom-
men; die Bergstadt Tubac blühte neu auf, aber mit dem
Bürgerkriege mußte die Provinz wieder aufgegeben werden
und erst die Entdeckung der Goldlager in Uuma County,
namentlich der reiche Fund im Antelope Creek 1863 zog
wieder Arbeiter dorthin. Bis 1874 konnten sich die Arbeiter
kaum der Apaches erwehren, daun begann die neue Zeit.
1878 entdeckte Shiefselin die Mine Tombstone in
Cochise County, die bis 1883 für 25 Mill. Dollars
Silber lieferte. Daneben fanden sich "die reichen Kupfererze
von Copper Queen, eine Erzmasse von 45m Höhe und
25 m Durchmesser. — In der Wüste Papagueria ist
New Virginia entstanden, an einer Silbermine mit zwei
Gängen von iy 2 m Mächtigkeit. Fast alle Berge enthalten
Gänge von Bleiglanz und Weißbleierz, in Uavapay
County auch Gold- Die Peck-Mine, welche 1875 zu
fällig in einem Quarzriffe entdeckt wurde, ergab in drei
Jahren für l 1 /* Mill. Dollars Silber. — Am Mittelläufe
des Rio Gila wurde 1875 die reichste Mine der Union,
die Silver King, durch einen Zufall entdeckt und lieferte
bis 1883 für 4 Mill. Dollars. In Beziehung auf Silber
produktion stand Arizona 1882 nur noch hinter Colorado
zurück, in der Gesammtproduktion nahm es unter den
Staaten der Union den vierten Rang ein. In der Kupfer-
produktion steht es nur hinter den Minen am Oberen See
zurück. — Auch Steinkohle hat sich bei Gallnp gefunden
und es fehlt nur an Wasser, um das Land noch zu rasche
rem Aufschwünge zu bringen. Ko.
Südamerika.
— Im Septemberheft des „Kosmos" beschließt Dr. Fr.
Johow seine reizvollen „Vegetationsbilder ans Westindien
und Venezuela" mit der Schilderung eines von Maturin
aus unternommenen Ausfluges nach der Guacharo-Höhle
bei Cumana. Gelegentlich der Beschreibung der Reise durch
die Llanos wird dabei auch der Zitteraale oder Gym-
noten gedacht, über deren Fang Humboldt die bekannte
Schilderung geliefert hat. Wiederholt nahmen Dr. Johow
und seine Begleiter Gelegenheit, an Orten, in deren Nähe
sich Flüsse oder Lagunen befanden, sich nach dem Vorkommen
von Gymnoten zu erkundigen. Zwar erhielten sie öfter von
den Leuten die Antwort, es gäbe „Tembladores" in den
umliegenden Gewässern; aber niemals gelang es ihnen, ein
Exemplar zu Gesicht zu bekommen oder mit einem solchen,
obwohl man oft genug durch Bäche und Flüsse zu reiten
hatte, eine „elektrische" Bekanntschaft zu machen. „Da wir
nun wenigstens über den merkwürdigen, mit Pferden be
triebenen Fang der Gymnoten, das „embarbascar con caval-
los“, von dem Humboldt erzählt, Einiges, wenn auch nur
durch Hörensagen, zu erfahren wünschten, befragten wir dar
über sowohl auf dem Wege nach Caripe als auch später
noch in Maturin mehrere Llaneros und andere kundige
Leute, wurden aber stets dahin beschieden, daß gegenwärtig
in den Llanos eine solche Art des Fischfanges gänzlich un
bekannt und wahrscheinlich auch früher niemals gewohnheits
mäßig betrieben worden sei." Es stimmen diese Aussagen
durchaus mit den Ermittelungen überein, welche Dr. C.
Sachs, mit physiologischen Untersuchungen über die elektri
schen Erscheinungen des Zitteraales beschäftigt, im Jahre
1876/77 in der Gegend von Calabozo gemacht hat. „Eine
sonderbare Verkettung von Umstünden", sagt Sachs, „hat
dazu geführt, daß ein einzelnes Erlebniß zu einer Sitte und
Gewohnheit, zu einem hervorstechenden Zuge im Natur
charakter eines Landes gestempelt worden ist. Es ist völlig
unmöglich, daß es in den Llanos je Sitte gewesen ist, die
Gyinnoten mittels ins Wasser getriebener Pferde zu fangen;
es müßte sich sonst bei den Bewohnern der Gegend wenig
stens eine Spur von Erinnerung daran erhalten haben."
Inhalt: Cagnat's und Saladin's Reisen in Tunesien. II. (Mit sechs Abbildungen.) — Emil Jung: Die Arbeiter
verhältnisse in der Südsee mit Bezug auf die Entwickelung unserer dortigen Erwerbungen. II. (Schluß.) — Die spanische
Mission auf den Karolinen-Inseln. — Kürzere Mittheilungen: Wißmann's Kassai-Fahrt. — Aus allen Erdtheilcn:
Europa. — Asien. — Afrika. — Nordamerika. — Südamerika. (Schluß der Redaktion: 11 . Oktober 1885.)
Redakteur: Dr. N. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, III Tr.
Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.