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Marine - Premierlieutencmt Garde: Die ostgrönländische Expedition.
Die o st grönländische Expedition.
Von Marine-Premierlieutenant Garde. (Deutsch von W. Finn.)
III.
Der 17. Juli wurde ein denkwürdiger Tag für uns.
Hansöruk kam mit trauriger Miene und meldete dem
Lieutenant Holm, daß zwei von unseren Bootsbesatzungen
(welche nach der Abmachung schon früher zurückkehren soll
ten) erklärt hätten, nicht weiter gehen zu wollen. Sie woll
ten nach Hause. Lieutenant Holm kannte seine Leute so
gut, daß er wohl wußte, wie wenig eine Ueberredung helfen
würde; er sagte deshalb nur: „Dann müssen wir versuchen,
uns an den Heiden zu halten". Es war der Gedanke an
Puisortok in Verbindung mit den vielen vorgekommenen
Unterbrechungen, welcher Einzelnen unserer Leute den Muth
benommen hatte, und diese hatten wieder auf andere einge
wirkt, so daß das Resultat blieb, daß wir am 18. Morgens
15 von unseren Leuten, welche mit einem Franenboot heim
zogen, Lebewohl sagten. Die zurückgebliebenen 13 Leute,
außer drei Kajaks, wurden auf die drei anderen Boote ver
theilt, so daß sich diese ganze Angelegenheit besser abwickelte,
als es ursprünglich den Anschein hatte. Am 23. Juli
wurden die Aussichten endlich wieder besser; Navfalik
meldete, daß Puisortok passirbar sei, und wir rüsteten uns
nun zur Abreise. Die Boote waren indessen wegen der
vermehrten Ladung und der verringerten Zahl von Rude-
rinncn schwer zu rudern, aber mit gutem Willen ging es
doch. Von den Heiden erhielten wir eine Menge Vor
schriften, damit wir glücklich am Puisortok vorbeikommen
könnten. Wir sollten nicht sprechen, nicht lachen, nicht
speisen, keinen Tabak rauchen, den Gletscher nicht ansehen,
und vor allem nicht das Wort Puisortok aussprechen; thäten
wir es dennoch, dann werde der Gletscher ganz gewiß böse
werden und uns beim Passiven unter Donner und Krachen
eine Ladung Eis aus der Meerestiefe senden, wodurch das
Meer in einen solchen Aufruhr kommen werde, daß es um
uns und unsere zerbrechlichen Fellboote geschehen sei. Ob
jemals hier ein Unglück passirt ist, mag der Himmel wissen;
ich glaube es kaum, doch unmöglich ist es ja nicht, daß hier
einmal bei einem Eisrutsch vom Gletscher ein Boot ver
nichtet worden ist, denn den Erzählungen der Grönländer
liegt fast immer eine Thatsache zu Grunde. Daß diese
Eisrutsche auf eine andere Weise vor sich gegangen sein
sollten, als bei jedem anderen Gletscher, zu dieser Annahme
liegt nicht der geringste Grund vor, zumal der Puisortok
in seinem Aeußeren allen anderen Gletschern an der Ostküste
gleicht. Er ist ein ziemlich breiter Gletscher von ca. % Mei
len Ausdehnung, erstreckt sich gerade hinaus ins Meer
und ragt mit der Mitte, wie alle anderen, ein gutes Stück
über die Küstenlinie hinweg; daß derselbe aber vom Grunde
des Meeres aus Eis heraufsenden solle, dazu liegt kein
Anhalt vor.
Nun, wir kamen am Puisortok vorbei; freilich hatten
wir einige Schwierigkeiten, denn gerade als wir uns vor
dem Gletscher befanden, lagerte sich ein dichter Nebel über
dem Wasser. Die Heiden wollten eiligst vorbei; sie ent
fernten sich mit ihren kleinen schnellen Booten von uns,
während wir mit unseren schweren Fahrzeugen langsamer
vorwärts kamen, wesentlich aus dem Grunde, weil unsere
(Schluß.)
Leute ängstlich waren und weil unsere Steuerleute nicht
den Kompaß so viel benutzen wollten. Als wir nach dem
Passiven des Gletschers wieder unsere Heiden antrafen, war
der Jubel und die Freude überall groß, und Lieutenant
Holm vermehrte dieselbe noch dadurch, daß er jedem Grön
länder einen Schisfszwieback verehrte. Am Abend dieses
Tages erreichten wir, beständig in dichtem Nebel und durch
so dicht gepacktes Eis fahrend, daß wir uns häufig mit den
Aexten den Weg bahnen mußten, Otto Ruds Insel,
wo wir aus dem nackten Felsen, auf dem nicht ein loser
Stein zum Befestigen der Zelte zu finden war, eine höchst
angenehme Nacht verbrachten. Vom 24. bis zum 29. Juli
arbeiteten wir uns nun, zusammen mit unseren Heiden,
nordwärts, bis zu dem Heimatsorte Navfalik's, Tingmi-
armiut. Je mehr wir uns dieser Stelle näherten, desto
größer wurde die von uns beobachtete Veränderung am
Lande. Schnee und Eis, welche während langer Zeit
längs der Küste durchaus überwiegend gewesen waren,
zogen sich nun immer mehr landeinwärts, so daß auf
vielen Stellen die Haidekrautvegetation dem Lande ein
geradezu lachendes und anheimelndes Aussehen gab. Wir
konnten uns nun wieder bei unserem Nachtlager einer
einigermaßen weichen Unterlage erfreuen, die nackte Klippe
giebt wahrlich kein weiches Unterbett.
Am 27. Nachts um 12 Uhr erreichten wir eine kleine
Insel im Tingmiarmiutfjord. Während der Dunkelheit
waren wir von den meisten unserer Mitreisenden getrennt
worden, und als wir, angelockt von einem Lichte, bei der
kleinen Insel landeten, wurden wir etwas enttäuscht, indem
wir auf unsere Frage, von wem wir hier empfangen wür
den, eine unbekannte Stimme antworten hörten: „uanga"
(das bin ich). Die Stimme beantwortete unsere Frage,
wo die anderen Frauenboote seien, dahin, daß keine anderen
Boote gesehen worden seien. Navfalik, der uns gefolgt
war, ruderte zu einer anderen Stelle, um sein Nachtlager
aufzuschlagen, während wir unsere Boote verankerten,
unsere Zelte am Strande aufschlugen und uns alle der so
sehr benöthigten Ruhe Hingaben.
Am nächsten Morgen verließen wir die kleine Insel
und ruderten nach Navfalik's Lagerplatz; erst spät am Abend
wurde das letzte der von uns getrennten Boote durch eins
der ausgesendeten Kajaks gefunden. Es war den ganzen
Tag zwischen den vielen kleinen Inseln, welche im Ting
miarmiutfjord liegen, umhergeirrt; als es nun schließlich
ankam, war seine ganze Besatzung so beleidigt darüber, daß
wir sie verlassen hatten, daß sie bestimmt erklärte, nicht
weiter gehen zu wollen. Es war nämlich die Besatzung
desjenigen Bootes, welches nach der Bestimmung, wenn
auch nicht gerade schon jetzt, so doch in der allernächsten
Zeit zurückkehren sollte, um bei den Untersuchungen der
passirtcn Strecke von Jluilek verwendet zu werden. Lieute
nant Holm entschloß sich nun, kurzen Proceß zu machen,
da er selbst die Zeit für die Trennung für passend erachtete.
Berichte und Briefe für die Heimath und eine Instruktion
für mich wurden fertig gemacht. Proviant und Jnven-