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Mit besonderer Herürbsichtignng der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Nichard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände ä 24 Nummern- Durch alle Buchhandlungen und Postauflalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1885 .
Reisen in Gurien und am oberen Kur.
Nach dem Französischen der Madame Carla Serena.
III. (Schluß.)
(Sämmtliche Abbildungen nach Photographien.)
Wenn der Reisende Achaltziche von weitem erblickt
mit seinen modernen Kirchthürmen und alten verfallenen
Minarets, so ahnt er, daß er sich einer Stadt nähert, wo
lange Zeit Kreuz und Halbmond um die Herrschaft geran
gen haben. Achaltziche (der Name bedeutet im Georgischen
„Neue Festung") liegt 3124 Fnß über dem Spiegel des
Schwarzen Meeres am Ufer des Potschov-tschai; sein Be
zirk bildete ehemals die Provinz Ober-Karthli, die Domäne
der Dschagheli, welche den Titel Achaltzicheli (Herren von
Achaltziche) trugen. Im 12. Jahrhundert empfingen die
selben noch den Titel Atabeg, wonach die Landschaft den
georgischen Namen Sa-Atabago (Land der Atabeg) annahm.
Als die Türken sich im Jahre 1579 des Landes bemäch
tigten, beließen sie die Regierungen den titularen Fürsten;
als aber später Murad IV. das Paschalik Achaltziche er
richtete, verlegte der neue Pascha seine Residenz von Olti,
einer kleinen, weiter südwestlich an einem Zuflusse des
Tschoroch gelegenen Stadt, nach Achaltziche, welches befestigt
wurde und seitdem der militärische und kommercielle Mittel
punkt der alten Landschaft Samtzche blieb. Dorthin ging
das Getreide aus Kars und Erzerum, und auch ein Sklavcn-
markt wurde dort eingerichtet. 1810 vom russischen General
Parmasow belagert und 18 Jahre später vom Feldmarschall
Paskicwitsch, dem späteren Bieckönig von Polen, erobert,
wurde es im folgenden Jahre durch den Frieden von Adria
nopel an Rußland abgetreten. In »euerer Zeit, 1853,
Globus XLVII. Nr. 3.
schlug General Fürst Andronikow auf der Ebene von Snplis
unweit der Stadt die Türken, eine entscheidende Wasfen-
that, deren Andenken durch ein dort errichtetes Denkmal
der Nachwelt aufbewahrt ist.
Ursprünglich christlich, wurde diese georgische Provinz
Ober-Karthli von einem ihrer Fürsten, dem Atabeg Rostom,
der seinerseits zum Islam übergetreten war, um Pascha
des Landes zu werden, gezwungen, gleichfalls sich dem Mo-
hammedanismus zuzuwenden. Dagegen hat sich die geor
gische Sprache im Lande erhalten, wenigstens bis in die
jüngste Zeit, wo das Türkische Fortschritte gemacht hat.
Achaltziche besteht ans zwei Städten, der alten, haupt
sächlich von Georgiern, Tataren und Türken bevölkerten
und der neuen, von deren rund 20 000 Einwohnern drei
Viertel Armenier, nicht wenige Juden, aber wenig Georgier
und noch weniger Russen sind. Noch existirt dort die
Familie des eben erwähnten Nostom Atabeg; sie hat sich
nach ihren etwa 12 Werst von der Stadt entfernt gelegenen
Gütern im Bezirke Koblian setzt den Beinamen Kobliansky
beigelegt und ist vollständig mohammedanisch; zu ihr gehörte
Ahmed Pascha, welcher die Moschee in der alten Festung
erbaut hat, welche die Russen später in eine orthodoxe
Kirche umgewandelt haben. Umgekehrt hat derselbe Ahmed
Pascha, ehe er zum Islam übertrat, mit zweien seiner
Brüder das Kloster Safara gegründet; dasselbe liegt auf
einem Berge 8 Werst von der Stadt Achaltziche und existirt
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