Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
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1885 .
Reisen in Gurien und am oberen Knr.
Nach dem Französischen der Madame Carla Serena.
I.
(Sämmtliche Abbildungen nach Photographien.)
Den transkaukasischen Reiseschilderungen, welche der
„Globus" in früheren Bänden (Bd. 41, S. 1 und 17:
„Eine Reise durch Mingrelien", und Bd. 42, S. 177,
193, 209, 225 und 241: „Samnrzakan und Abchasien")
der weitgereisten Mine. Carla Serena nacherzählt hat, läßt
er heute einige weitere aus Gurien und vom Oberlaufe des
Kur folgen. Es sind das wohl die letzten derartigen Skizzen,
denn am 20. Juli 1884 ist die Verfasserin derselben zu
Athen gestorben.
Um Ozurgeti in Gurien zu erreichen, verließ die Rei
fende die von Poti nach Tiflis führende Eisenbahn bei der
in Mingrelien gelegenen Station Samtredi, von wo
eine gute Chaussee nach dem einige Werst entfernten Or-
piri führt. Dieser Ort liegt am Rionflusse und war
früher ein Verbannungsplatz für die berüchtigte russische
Sekte der Skopzcn, die jetzt meist in der Umgegend leben.
Vor Erbauung der Eisenbahn, als man noch zu Schiffe
auf dem Rion in das Innere von Mingrelien reiste, hatten
lie das Monopol für diese Beförderungsart; die Eisenbahn
aber hat diesen Erwerbszweig in Orpiri vernichtet und die
Bootsleute nach anderen Orten vertrieben. Der Anblick
des Fleckens ist überaus unmuthig, die Vegetation sehr
üppig, aber der Aufenthalt dort ungesund.
. auf ausgehöhlten Baumstämmen ruhende Fähre
bringt hier Fußgänger, Wagen und Pferde über den reißen
den Rwn, welcher die Grenze zwischen Mingrelien und
Glvbuö XLVH. L
Gurien bildet; die Bemannung des Floßes besteht aus
Angehörigen beider Landschaften. Mingrclier und Gurier
find beide ein stattlicher, schöner Menschenschlag; nur in
der Tracht unterscheiden sie sich, indem die einen die lange
Tschocha, die anderen das kurze Wams tragen. Die Kopf
bedeckung ist dieselbe, das Baschlik, das beim Gurier aber
oft von rother Farbe ist.
Die Straße von Samtredi bis Ozurgeti ist 53 Werst
lang und führt durch eine herrliche Gegend; ohne Unterlaß
folgen sich entzückende Ausblicke auf Bergesabhünge und
Thäler, Flecken und Dörfer, denen man schon von außen
den Wohlstand ihrer Bewohner ansieht. Die Türken nennen
in ihrer bilderreichen Sprache Gurien das „Land der Rosen";
das ist keineswegs übertrieben, wenigstens was Ozurgeti
anlangt, das in der That einem mit Rosen gefüllten Korbe
gleicht.
Dieser Ort, früher die Residenz der Fürsten von Gurien,
liegt in einer Ebene auf dem rechten Ufer der Bzudscha und
wird noch von einem zweiten Flusse, der Natancba, bespült.
Diesem Wasserreichthume verdankt es seine üppige Flora.
Ringsum erhebt sich ein Kranz von Bergen, namentlich
im Süden das Adscharische Gebirge, vor dem letzten Kriege
die Grenze gegen das türkische Gebiet, welche dann durch
den Frieden um etwa 100 km nach Südwesten vorgeschoben
wurde. Bis dahin war auch der Hauptort der türkischen
Landschaft Adscharien, Kobuleti, ein Asyl für allerhand
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