GLOBUS .
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - und VÖLKERKUNDE .
VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN : „ DAS AUSLAND“ UND „ AUS ALLEN WELTTEILEN“ .
HERAUSGEBER : Prof . Dr . R . ANDREE . VERLAG von FRIEDR . VIEWEG & SOHN .
Bd . LXXXIII . Nr . 8 . BRAUNSCHWEIG . 26 . Februar 1903 .
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet .
Der Paradiesgarten als Schnitzmotiv der Payagua - Indianer .
Von Dr . Theodor Koch . Grimberg ( Hessen ) - Berlin .
Unter dem obigen Titel veröffentlichte Herr Prof . Dr . Karl v . d . Steinen in Band II ( 1901 ) , Heft 2 , 8 . 60 ff . des „ Ethnologischen Notizblattes“ eine belangreiche Vudie über Schnitzornamente auf Tabakpfeifen der I ayagua - Indianer , die unmittelbar christlichem Einflufs 1I1 re Entstehung verdanken . Es handelte sieb um drei grölsere Medizinpfeifen und eine kleinere pfeife , die in ihrem Schnitzwerk Szenen aus dem alt - testamentlichen Paradies auf indianische Weise zugestutzt zeigen .
Inzwischen haben sich noch drei weitere Exemplare ähnlicher Art gefunden , die nicht unwesentlich zur gänzung der Steinenschen Erklärung beitragen und neue Gesichtspunkte eröffnen .
W ie ich bereits an anderer Stelle betont habe Q , hat die langjährige Herrschaft der Jesuiten auf die stämme der Paraguay - Ufer und des Chaco einen deutenden Einflufs ausgeübt , der nicht unterschätzt den darf . Zeigt sich dieser Einflufs schon in den an italienische Renaissance erinnernden Arabesken der Ge - fäfsmuster bei einzelnen Stämmen , wie den Kadiueo , den Tereno - Guanä , den Maskoi - Stämmen und den Paya - guä selbst , so haben wir es hier mit figürlichen lungen zu thun , die rein christliche Motive in schem Gewand behandeln , und deren Bedeutung , wie wir sehen werden , den Künstlern seihst im Laufe der Zeit , zumal nach Vertreibung ihrer Lehrer , lich geworden ist . Jedenfalls haben die modernen Paya - guä vom Christentum keine Ahnung , und diese Pfeifen wurden und werden wohl noch heute von den ärzten bei ihren Beschwörungen gebraucht .
Bei der geringen Verbreitung des „ Ethnologischen Notizblattes“ halte ich es für angemessen , hier eine sammenfassende Darstellung der bisher bekannten fen zu geben , um diese wichtige Entdeckung Karl v . d . Steiuens einem gröfseren Leserkreis zu übermitteln und vielleicht auf noch in anderen Sammlungen vorhandene ähnliche Stücke aufmerksam zu machen .
Die Payagua - Indianer , von denen alle diese Pfeifen stammen , waren von den ersten Zeiten der Entdeckung an als kühne und räuberische Flufspiraten gefürchtet . Nach jahrhundertelangen , blutigen Kämpfen gelang es endlich im Jahre 1740 dem Statthalter von Paraguay , Raphael de la Moneda , die südliche Abteilung des mes , die sogen . Takunbü , in Asuncion anzusiedeln , der
’ ) Globus , Bd . 81 , 8 . 43 . Globus LXXXIII . Nr . 8 .
sich im Jahre 1790 auch die nördliche Horde , die Sari - gue , anschlofs - ) .
Noch zur Zeit Azaras auf 1000 Seelen geschätzt , fristen die Pavaguä heute , auf 40 bis 50 Individuen sammengeschmolzen , in dem Hafenviertel der paraguay - schen Hauptstadt durch den Handel mit Thongeschirr , Federarbeiten u . a . ein kümmerliches Dasein .
Sämtliche Pfeifen sind aus schwerem , hellbraunem Holz cylindrisch gearbeitet und der Länge nach bohrt . Im Querschnitt des einen Endes befindet sich eine trichterförmige Vertiefung zur Aufnahme des Tabaks , am anderen Ende ist das kurze Mundstück in der achse entweder aus demselben Holz pflockartig schnitzt oder besteht in einem eingeschobenen oder Holzröhrchen , das bei einigen Exemplaren fallen ist .
Diese eigentümliche Pfeifenform ist typisch für die Chaco - Stämme und kommt meines Wissens in keinem anderen Gebiete Südamerikas vor . Der Jesuitenpater Florian Baucke beschreibt um die Mitte des 18 . hunderts die Tabakpfeifen der Mokovi als hohle Kegel aus Holz oder Thon , die an dem weiteren Ende mit Tabak gefüllt wurden , oder als ein Stück Rohr , etwa fingerlang , das an dem einen Ende gerade , an dem dern , wo der Tabak zu liegen kommt , schräg abgeschnitten wurde : ! ) . Das Museum für Völkerkunde zu Berlin sitzt solche röhrenartigen Pfeifen von den Tschiriguano , Toba , Kadiueo und Tereno2 * 4 ) , die ich hier im Vergleich mit Payaguä - Pfeifen abbilde ( Abb . 1 ) . leb halte diese Form für spezifisch indianisch , zumal sie sich stets neben seitlich gestielten Pfeifen findet , die also mit Köpfen versehen und wohl erst unter dem Einflufs der Europäer entstanden sind . Sie mag aus der Cigarre , der von den ersten Entdeckern angestaunten „ Rauchrolle“ der amerikanischen Eingeborenen , hervorgegangen sein , die z . B . noch bei den unberührten Stämmen des Schingü als einzige und ursprünglichste Art des Tabakgenusses beobachtet wurde , und kann gewissermafsen als „ festes Deckblatt“ angesehen werden , das der Indianer stets zum sofortigen und bequemen Gebrauch bereit hatte . '
2 ) Felix de Azara , Voyages dans l’Amérique nale . 1781—1801 . Bd . II , p . 122 / 123 . Paris 1809 .
a ) A . Nobler , S . J . , Pater Florian Baucke , ein Jesuit in Paraguay ( 1748 bis 1766 ) , S . 191 . Regensburg 1870 .
4 ) Diese beiden letzteren Stämme wohnten früher falls im Chaco ; jetzt östlich vom Rio Paraguay bei Miranda und südlich davon .
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