Chartum ,
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sorgfältig geglättete , schön verzierte Holznadeln , bestimmt , die zahl - reiche Einwohnerschaft des edlen Hanptes in Ruhe zu halten . Als bezeichnendes Merkmal für den Sndahnesen mag auch uoch die Lanze gelten , welche Jedermann als unentbehrliches Geräth in der Hand trägt oder bezüglich trug ; denn in neuerer Zeit ist ihnen die Waffe von den Türken verboten worden in Folge häufigen Miß - brauchs , zu dein der jäh auflodernde Zorn unsere Leute hinriß .
Die Mädchen tragen bis zu ihrer Verheiratung den Rahad , jene aus mehreren hundert feinen Lederstreifen bestehende Schürze , welche mit Quasten und zur Bezeichnung der Jungfräulichkeit mit Muscheln verziert wird , eiu Kleidungsstück , welches die wohlge - bauten , dunklen , geschmeidigen Körper außerordentlich ziert . Am Tage der Verheirathung vertauschen sie den zierlichen Rahad mit einer baumwollenen Schürze und werfen über den Obertheil ihres Körpers ein langes , aber gazeartig gewebtes Umschlagetuch ; die Füße bekleiden sie mit zierlichen Sandalen ; um den Hals hängen sie sich Amnlete . Die Nase wird mit großen messingenen oder silbernen Ringen verziert ; die Lippen werden blau , die Hände mit Hennah roth gefärbt ; das Haar putzen besondere Künstlerinnen sorgfältig anf . Man flicht das krause Gelock zuerst in mehr als hundert dünne Zöpfcheu , stärkt diese mit einer Auflösung von arabischem Gummi und vereinigt oder gruppirt sie dann zu mehr oder minder künstlichen Terrassen . Als Haarsalbe dient ganz einfach ein Gemisch von Schaffett , Rindstalg und Butter , welches die Wohlhabenderen noch mit wohlriechenden Stoffen versetzen . Diese Salbe wird so dick aufgetragen , daß erst die Sonnenhitze sie schmelzen muß . Auch den Körper reiben sich beide Geschlechter mit einer Salbe eiu , welche sie Delkh a nennen . Sie ist so ziemlich auf gleiche Weife wie die Haarsalbe zusammengesetzt , schützt die Haut vor dem Brüchigwerdeu und erhält sie geliud uud geschmeidig . In vornehmen Häusern des Sudahn war es früher allgemeiner Ge - brauch , jedem geehrten Gaste durch eine schöne Sklavin vor dem Schlafengehen seinen Leib mit Delkha einreiben zu lassen . Diese Fettnng des Körpers hat neben ihren unverkennbaren Vortheilen , wenigstens in unseren Augen oder bezüglich Nasen , unverkennbare Nachtheile : sie wird bald ranzig und steigert den unangenehmen Geruch , welchen alle dunkle Völkerschaften von Haus aus haben , zuweilen iu's Unerträgliche . —
Charakter uud Sitten der Sudahneseu haben seit der Unter - jochung des Landes viel von ihrem eigenthümlichen Gepräge ver - loren ; vollständig umgewandelt aber sind sie deshalb noch nicht . Der Charakter der Sudahnesen unserer Tage ist der aller halb - wilden , aber doch durch eiue für ihre Umstände ganz vortreffliche Glaubenslehre schou einigermaßen veredelten Völkerschaften . Wenn man die Licht - und Schattenseiten ihreö Wesens mit einander gleicht , kann man nicht lange über sie in Zweifel bleiben . Im Grnnde genommen sind die Sudahnesen kerngnte Menschen . Sie sind gastlich und zuvorkommend gegen den Fremden und bei aller ihrer Armnth immer bereit , einen Dürftigen zu beschenken , oder einen Hungrigen zu erquicken ; sie sind ehrlich , halten das einmal gegebene Wort , bewahren eiu ihnen anvertrautes Pfand besser als ihr Eigenthum ; sie achten ihre Eltern und lieben ihre Kinder ; sie ehren jede Meinung und lassen den Fremden glanben , reden und handeln , was und wie er will ; sie sind nicht tückisch , nicht hinter - listig . Aber — die Sudahnesen lügen , betrügen und stehlen , wo sie nur können ; sie sind sinnlichen Genüssen ergeben , sanl , leichtsinnig , arbeitsscheu , liederlich ; sie sind heftig , leicht reizbar : knrz , sie ver - einigen die sonderbarsten Gegensätze in sich . Genügsam wie wenig andere Menschen , sind sie wiederum sehr ausschweifend ; treu in der einen Hinsicht , sind sie untreu in einer andern . Wollten wir sie nach uuseren Ansichten benrtheilen , wir müßten sie für sittlich äußerst tiefstehende Menschen erklären . Aber wir thäten Unrecht , wenn wir sie für sittenlos hielten .
Die Sndahnesen thnn das Gute , weil sie vou ihren Vorfahren her gewohnt sind , es zu thnn , und üben das Böse , ohne eigentlich zu wissen , daß es böse ist . Ihre Begriffe von gut und böse sind I
ganz andere als die nnsrigen . Sie entschuldigen nicht nur einen Betrug , einen Diebstahl , einen Mord , sondern sie halten ihn sogar für eine des Mannes würdige That . Jemanden zu belügen oder zu betrügen , erscheint ihnen ein Sieg der geistigen Ueberlegenheit über die Beschränktheit des Andern , ein Mord Nichts als die Be - friedigung ihrer Rache oder unter Umständen anch eines Bedürs - nisses . Vor der türkischen Herrschaft war die Blutrache unter ihnen üblich , und Mord und Todtfchlag kamen alle Tage vor . Die Be - theiligten fochten ihre Streitigkeiten unter sich selbst aus ; ihre Könige bekümmerten sich wenig oder nicht um die Fehdeu ihrer Unterthanen . Erst unter der türkischen Herrschaft haben sie erkennen gelernt , daß Mord und Todtfchlag verschiedene Dinge sind . Der Sudahnese hielt früher den Tod seines Feindes entweder für eine gerechte , wohlverdiente Strafe , oder aber für eine mit dem Raube bedingte Nothweudigkeit , welche er leicht entschuldigen zu können glaubte . Himmel und Hölle haben jenen Leuten nie den Kummer gemacht , wie uns , und eigentliche Reue über ein Verbrechen kommt bei ihnen kaum oder nicht vor . Mohammedaner dem Namen nach , kennen sie kaum die Gesetze des Islam , und glauben genng zu thnn , wenn sie einigen Formeln genügen , ganz so , wie unsere Mucker anch thnn , nur daß bei diesen der große Unterschied statt - findet , daß sie die Bedeutung ihres Glaubens vollständig erkannt nnd verstaudeu haben .
Die schlechten Eigenschaften der Sudahnesen sind zumeist anf Rechnung ihrer Heimat , auf die Einwirkung ihres Klimas zu setzen . Daß der braune Mann faul ist , liegt in seinen Verhältnissen : er arbeitet nur , wenn er muß . Aber er braucht so wenig uud sein Vaterland ist so gesegnet mit Fruchtbarkeit uud Erzeugungskraft , daß er das Wenige ohne Mühe erringt . Der Sudahnese ist lieder - lich , weil sein Besitzthum niemals so groß ist , daß der Verlust desselben ihn unglücklich machen könnte , weil es ihm ohne besondere Mühe rasch wieder gelingt , sich ein neues Besitzthum zu erwerben . Er ist sinnlich , weil das Klima , die Pracht der Tropen alle seine Sinne erregt ; er ist ausschweifend , weil er dem augenblicklichen Genüsse fröhnt , ohne schlimme Folgen desselben für möglich zu halten , oder , wenn sie wirklich eintreten , an die Ursache zu glanben . Dazu erlaubt ihm seine Glaubenslehre , sein Leben nach seiner Art und Weise zu genießen ; denn in dem Ausspruche , welchen jeder Mohammedaner auf der Lippe nnd im Herzen trägt : „ Gott ist barmherzig ! " liegt eine Entschuldigung jedes Fehls . Deu furcht - bareu Gott , welchen die Starrgläubigen unserer Zeit den Schwach - sinnigen unseres Volkes vormalen , kennen die Mohammedaner nicht : sie kennen nur einen Gott unendlicher Milde , Gnade und Barmherzigkeit . Sie meinen , daß dem reuigen Sünder anch dann noch die Pforten deS Paradieses erschlossen werden , wenn die Rene im Augenblicke vor dem Sterben über ihn kommt , wenn er noch vor dem Ende bezeugt , daß er eiu gläubiger Mohammedaner ist ; — warum soll er sich also mit Arbeit quälen , warum mit Büß - Übungen : er lebt sich und seinen Freuden .
Während des Tages arbeitet der Sudahnese nur höchst wenig , Auf weichem Lagergestell liegt er in seiner Behausung und psiegt der Ruhe . Nach Sonnenuntergang beginnt das wahre Leben im Dorfe wie in der Stadt . Hier oder dort töut die Tarabuka ; im Halbkreise geschaart umsteht das junge Volk eine der Tochter des Landes nnd läßt sich von Terpsichore begeistern . Der ältere Mann solgt diesem verlockenden Rufe nur zeitweilig ; behaglich hingestreckt , fast unbekleidet liegt er auf seinem Ankareb , eben jenem Lagergestell , und schöpft mit einer Kürbisschale sich seinen Labetrnnk aus einem großen , runden , bauchigen Topfe , welcher fest in den Sand eingerieben worden ist , damit er nur steht . Dieser Topf , Burma geuannt , wird mit einem augenehm säuerlich schmeckenden , äußerst geistigen Getränke gefüllt , welches entfernte Aehnlichkeit mit nnserm Biere hat . Das Wohlbehagen des guten Mannes erreicht den höchsten Grad , wenn ein schönes Weib ihm die Schale füllt und er außer in der Merifa auch in den dunklen Augen seiner Hebe sich berauschen darf . Was kümmert er sich dann
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