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Kleine Nachrichten .
und sich durch warme Getränke gestärkt hatten , verfielen Alle in einen tiefen Schlaf , in welchem sie 10 Stunden zubrachten , ohne von dem nächtlichen Lawinendonner erweckt zu werden .
Um 7 Uhr erwacht , empfand DoctorPitschner einen stechenden , höchst intensiven Schmerz im Gesicht , das gleichzeitig dick anfge - schwollen war . Als er die geschwollenen Augenlider öffnete , er - kannte er keinen Gegenstand um sich , ; so hatte die Gletschersonne die überreizten Augenmuskeln geblendet . Balmal versicherte jedoch , daß dieser Zustand nur ein vorübergehender sein werde , und man beschloß deshalb , 3 Stunden zu warten . In der That fing er nach einigen Stunden an , den hellen Schnee von den dunklen Spalten zu unterscheiden , worauf der Weg fortgesetzt wurde . Nach kurzer Ruhe in der Sennhütte von Paraz kamen sie Abends 7 Uhr bei der Caseade von Dard an , wo sie von einer Gesellschaft von Eng -
länderu und Frauzoseu herzlich begrüßt wurden . Im Dörfchen Barras empfingen die Anverwandten und Freunde die Führer mit der iuuigsteu Freude . Alle waren wohlbehalten zurückgekommen , nur zeigten die aufgeschwollenen Gesichter und die rothuuterlaufe - nen Augen von dem , was die Gletschersonne gethan . Nach zehn Tagen löste sich die Haut von den Gesichtern . Doctor Pitschner's Sehvermögen nahm nur sehr laugsam an Kraft zu , aber länger dauerten noch die Uebel , welche der Frost in seinem linken Arm und der linken Hand zurückgelassen hatte . — Am 2 . August Abends um die 9 . Stunde zog DoctorPitschner mit den unerschrockenen Sa - voyardeu , begleitet von Freunden und Fremden , unter den Klängen der preußischen Nationalhymne und Kanonensalven , begrüßt von den lebhaftesten Frendenbezenguugen der Bewohner mit Jllnmi - uation und Feuerwerk , wieder in das Dorf Chamouuix ein .
Kleine Nachrichten .
Das Grabdenkmal des Königs Mansolus in London . Wer
hätte gedacht , daß wir , im neunzehnten Jahrhundert , eiues der sieben Wunderwerke der alten Welt vor Augen haben würden ! Und doch ist dem so , das Mausoleum aus Halikaruassus befindet sich nun in London . Die Ausgrabungen in Carien sind von glücklichem Erfolge begleitet gewesen und C . T . Newton , Eon - fervator der griechischen und römischen Alterthümer am Britischen Museum hat so eben ein großes Prachtwerk : „ Geschichte der Ent - deckungen ( Ausgrabungen ) zu Halicaruassus , Knidus und Bran - chidae " veröffentlicht .
Am Gestade von Kleinasien , das jetzt der Halbbarbarei ver - fallen ist , blüheteu an der westlichen Küste die Städte des dorischen Bundes , unter denen Knidus hervorragte , die berühmte Handels - stadt auf der Landspitze Triopinm , wo die vielbesuchten Kampf - spiele des triopischeu Apollo gefeiert wurden . In dem weitberühm - ten Tempel der Aphrodite prangte das herrliche Standbild der Göttin , ein Meisterwerk des Praxiteles . In diesem Knidus wur - deu Männer wie Ktesias , Endoxns , Theopompos und Agathar - chides geboren und das benachbarte Halikarnassus ist die Baterstadt Herodots , des Vaters der Geschichte . Sie war groß , schön uud wohlbesestigt , wie keine andere Stadt in Karieu , Dort stand auch das Grabmal des Herrschers Moschöl , denn Mau - soleum bedeutet im ursprünglichen Sinne des phönikischen Wor - tes Königs - oder Herrschergrab .
Auf den Trümmern von Halikarnassus steht der Ort Bu - druu . Seit 1857 veranstaltete Newton , damals englischerConsul auf der Insel Lesbos , Nachgrabungen , die eine reiche Beute ergeben habeu . Zwar so werthvoll wie die Elgin - Marbles und wie die Sculptnren aus Ninive sind sie nicht , aber sie haben doch für die Kn'nstgeschichte eine ungemeine Wichtigkeit nnd es bleibt immerhin von hohem Interesse , daß ein so berühmtes Denkmal bis auf unsere Zeiten gekommen ist . Newton hat mit großem Fleiß einen Abriß der Geschichte Kariens gegeben , in welchem jener Mansolus , König einer mit den Persern verbündeten , eigentlich abhängigen Monarchie eine gewisse Rolle spielte . Newton'hat das Standbild dieses Herrschers wieder aufgefunden , allerdings in einer Menge von Bruchstücken , die aber zusammenpassen ; es sehleu nur die beiden Arme und ein Fuß . Die Gesichtszüge drücken Festigkeit , Ruhe uud Scharfsinn aus .
Mausolus starb im Jahre 353 vor Christi Geburt , und seine Schwester Artemisia , die zugleich seine Gemahlin war , errichtete ihm das Denkmal . Ob er selber schon bei seinen Lebzeiten das Kunstwerk hat beginnen lassen , bleibt ungewiß . Artemisia regierte nach ihm als Königin mit fester Hand , starb aber schon zwei Jahre später , und ehe das Mausoleum vollendet war . Dieses ist nun berühmt gewordeu für alle Zeiten . Noch im Mittelalter , im zehn - ten , ja im zwölften Jahrhundert , stand es fast unversehrt . Dann scheint es in Verfall gerathen zu sein ; gewiß ist , daß die Barbarei der christlichen Johanniterritter im fünfzehnten Jahrhundert aus deu Marmorblöckeu und Statuen die Burg St . Peter bauete . Halikarnassus stand auch schou in den Tagen des Alterthums mit der Insel Rhodns in engem Zusammeuhauge . Die englische Re - giernng hat die zu Tage geförderten Trümmer angekauft , und so ist das Mausoleum wenigstens ideal wieder aufgebaut worden . Schon 1846 hatte sie bei der Pforte eine Crlanbiüß zu bungen ausgewirkt ; allein diese wurden ohne Eifer betrieben uud es kamen nur einige wenig belangreiche Bruchstücke uach Europa . Im Jahre 1855 ging Newton nach Budruu uud entdeckte in den Mauern des Castells nicht blos Reliefs , sondern auch kolossale Löwen , Werke aus der Schule des Scopas . Daun setzte er 1856
seine Forschuugen fort und 1857 legte er mit Hülse von Ingenien - ren und Pionieren das Mausoleum selbst zu Tage . Nach und nach konnte man sich eine klare Vorstellung von dem gewaltigen Bau - werke machen ; Säuleu , Friese und Statuen kamen in Menge zum Vorschein , Das Standbild des Mausolus war freilich in etwa sechszig Bruchstücke zertrümmert . Das Monument war bemalt , blau nnd mit reinem Roth ; wo man den Marmor nicht bemalte , gab mau ihm einen Ton vermittelst Firniß und Wachs . Alle Sculptnren uud Ornamente waren ultramarinblau gruuvirt ; das Fleisch brauuroth , Gewaudung nnd Waffen von verschiedenen Farben , das Simswerk roth . Für die Frage , wie die Alten bei der Architektur die Farbengebnng benutzt haben , ist das Alles von großer Wichtigkeit . Die Architektur des Mausoleums ist in ihrer Weise großartig , aber von jener aus der Schule des Phidias schieden ; sie ist realistischer .
Das alte Weltwunder aber bleibt auch heute noch ein Wunder , und die Ueberbleibsel fordern zu Betrachtuug und Studium auf .
Spitzbergen . Von einem Freunde des „ Globus " geht Ulis folgende Mittheilung zu : Sie erwähnen ttt Nr . 9 , S . 284 , daß die paläoutologischeu Bildungen , welche sich auf Spitzbergen vor - finden , der permischen Formation anzugehören scheinen . Erlau - ben Sie mir hierauf zu bemerken , daß bereits im Jahre 1819 dnrch L . de Köninck in Brüssel , das Vorkommen der permischen , oder wiewir Deutschen besser sagen Zechsteiuformatiou , entschieden worden ist . Herr de Köninck wies nach , daß in den Felsen vou Ball Suud auf Spitzbergen sich genau dieselben Versteinernngeu fiudeu , wie in Thüringen , der Wetteran oder in einigen Theilen Englands ; ganz dieselben charakteristischen Schichten uud Fossilien , wie sie die unteren Abteilungen des thüringer Zechsteins zeigen , namentlich der Productus horridus ; Spirifer alatus und cristatus wurdeu nachgewiesen . Näheres kann man in dem neuen Werke von H . B . Geinitz : Die Dyas oder das Rothliegende und die Zech - steinformatiou nachlesen . Jedenfalls ist bei dem seltenen men der Zechsteinformation überhaupt , ihr Aufsinden auf Spitz - bergeu von großem Interesse . Neuerdings hat man sie auch in Amerika nachgewiesen .
Auswanderungen ans Böhmen . Durch die heilloseu Zustände der Jankee - Republik werden bekanntlich sehr viele Leute zur Rück - Wanderung nach Europa oder zur Auswanderung nach anderen Gegenden veranlaßt . Auch den Tschechen wird das Aankeethum unerträglich . Mau schreibt uns aus Böhmen Folgendes : Im Laufe des Februar ist Herr Mratschek , - Redakteur eines tschechi - scheu zu St . Louis in Missouri erscheinenden Blattes , begleitet vou Herrn Barta , von Prag aus nach St . Petersburg abgereist , um von dort aus sich an den Amur zu begeben . Nach etwa neun Monaten beabsichtigt derselbe nach Prag zurückzukehren , von wo aus danu eine tschechische Einwandernng nach den Amur länderu stattfinden soll . Dorthin , weiter nach Osten , mögen die Slaven ihre Blicke wenden , dort kamt ihnen reiches Feld für ersprießliche Thätigkeit angeschlossen werden . — Gleichfalls ans Choteschau in Böhmen beabsichtigen im Frühjahr zwanzig tschechische Familien nach Neuseeland auszuwandern , nachdem ihnen im Jahre 1860 bereits der k . k . Hauptmann Martin Krippner als Bahnbrecher vorausgegangen war . Uebrigeus hat man in neuerer Zeit von Seiten der k k . Slatthalterei in Prag aus vor den Answande - rungeu uach Rußland gewarnt ; die Schicksale , welche westfälische Bergleute dort fanden , sind also uicht ohne Rückwirkung geblieben .
Herausgegeben von Karl Andree in Leipzig . — Für die Redaktion verantwortlich : Herrmann I . Meyer in Hildburghausen . — Verlag des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen . — Druck von Giesecke & De vrient in Leipzig .