GLOBUS .
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - UND VÖLKERKUNDE .
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „ DAS AUSLAND“ .
HERAUSGEBER : Dr . RICHARD ANDREE . VERLAG von FRIEDR . VIEWEG & SOHN .
Bd . LXX . Nr . 15 . BRAUNSCHWEIG . Oktober 1896 .
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet .
Die Kaschnben am Lebasee .
Von Dr . F . Tetzner .
( Hierzu eine Karte als Sonderbeilage . )
I .
I . Geschichtliches .
1 . Name .
Die litauischen Worte kuzas ( Jacke ) und kuzabas ( Trichter ) , sowie die polnisch - kaschubischen nungen kazub , kozub bergen wahrscheinlich den stamm , der dem Namen der Kaschuben zu Grunde liegt ; dieser hat sich nach den Anschauungen des vorigen Jahrhunderts auf die eigentümliche Kleidung bezogen . Wenn man heutigen Tages einen Schimpfnamen daraus gemacht hat , der etwa „ Niedrigstehender“ oder „ verderber“ besagen soll , so ist dies eine Spracherscheinung , die öfter auftritt , z . B . auch gegenüber den „ Polacken“ , „ Wendischen“ und „ Stockböhmen“ . Die slawische weise mit sz in kaszeba , kaszuba hat die deutsche be - einflufst und jenen Laut mit der lateinischen Schreibart in ss verwandelt , ganz gegen die wirkliche Aussprache . Denn im Slawischen und Baltischen entspricht sz unserem sch . Wo nicht gelehrter Einflufs vorliegt , spricht mann Kaschuben , nicht Kassuben .
Die Kaschuben haben nie ein eigenes politisches Ganzes gebildet , noch hat es ein gesondertes Herzogtum Cassubia gegeben . Der Volksname tritt zuerst häufiger im 13 . Jahrhundert auf . In einer Urkunde werden hannes v . Mecklenburg und Nikolaus Werle 1248 Herren der Kaschubei ( Domini Cassubiae ) genannt , des burger Herzogs Heinrich Tochter Ludgart wird als Kaschubin ( Cassubita ) bezeichnet , und die pommerschen Herzoge Barnim 1 . und Boguslaw führen 1267 und 1291 den Titel Herzog der Slawen ( Wenden ) und der Kaschubei ( dux Slavorum et Cassubie ) . Philipp II . und Franz I . nennen sich 1619 Herzoge der Pommern , Kaschuben und Wenden .
Als Pommerellen an den Orden und Pommern an Brandenburg fiel , behielten die Brandenburger fürsten den Titel Herzog der Wenden und Kaschuben bei , und so ist er auch in den Titel der preufsischen Könige aufgenommen worden .
Wer sind nun die Kaschuben ? Der Kiewer Mönch Nestor teilt in seiner Aufzeichnung der slawischen Völker ums Jahr 1110 das slawische Völkergemisch der Lechen im Weichselgebiet und westlich davon in die Polen , Lutiker , Masovier und Pommern . Die Polen haben im allgemeinen ihren Stammsitz behalten , die Masovier oder Masuren , im Warschauer Gebiet nend , sind in ihnen aufgegangen , während sich der Name bei den evangelischen Slawen des südlichen Ost - preufsens erhalten hat , die sich manche Eigenart be -
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wahrt haben . Die Lutiker wohnten auf dem südlichen Ufer der Oder , die Polabenx ) und Wenden sind ihre Reste , von denen jene anfangs dieses Jahrhunderts starben , während diese , umwogt von Deutschen , eine Sprachinsel im nordöstlichen Sachsen und den den schlesisch - brandenburgischen Landesteilen bilden .
Gewisse polnische Forscher halten fast herausfordernd an der Einheit sämtlicher lechischer Stämme fest und stellen den Sprachunterschied als so unbedeutend hin , dafs sie am liebsten daraus ein politisches Ganzes unter Führung Polens ableiten möchten . Der Hauptstamm , die Pommern , standen allerdings bis ins 12 . Jahrhundert in mehr oder weniger politischem Zusammenhänge mit Polen und bildeten unter König Boleslaw dem Grofsen 992 einen Teil seines Reiches1 2 ) . Indes hielten sich die halter und Kriegsfürsten in Pommern so unabhängig als möglich , kämpften wiederholt gegen Polen , und im Jahre 1181 belehnte Friedrich Barbarossa Swantibors Söhne , die 1170 den Herzogstitel angenommen hatten , in seinem Hoflager zu Lübeck als Herzoge des Deutschen Reiches unter Brandenburgs Lehnshoheit . Die politische Frage ist zudem nebensächlicher Art , und kein Forscher verschliefst sich der Thatsache , dafs die slawischen Stämme am Lebasee eine so abweichende , eigenartige Sprache haben , dafs die Bewohner einer gesonderten Betrachtung wohl wert sind .
So oft nun auch der Name der Kaschuben in der ältesten Zeit erwähnt wird , so ist doch in keinem Falle zweifelhaft , dafs damit an erster Stelle gewisse pommersche Slawenstämme gemeint sind , über deren eigentliche Sitze die Ansichten auseinandergehen , zumal man auch dem pommerschen Gebiet in alter Zeit eine Ausdehnung von der Passarge bis zur Eider zuerkennt .
Rechnen die oben angeführten Urkunden burg zur Kaschubei , so scheint eine Urkunde von 1289 die Belgarder Gegend ( in terra nostra Cassubiae Bel - garth ) zwischen dem Gollenberg und der Persante als die eigentliche Kaschubei ( vera terra Cassubiae ) zu nen . Damit stimmt im 16 . Jahrhundert auch Kantzow 3 ) überein , der in seiner Pomerania meint : „ Cassuben ist ein teil von Pommern , und seint die Wende gewest , die
1 ) A . Hilferding , Die sprachlichen Denkmäler der Drevianer und Glinianer Elbslawen etc . Bautzen 1857 . Vergl . auch Schleicher , Laut - und Formenlehre der polabischen Sprache . St . Petersburg 1871 .
2 ) Vergl . Maronski , Die stammverwandtlichen hungen Pommerns zu Polen . Neustadt . Progr . 1866 .
B ) Thomas Kantzow , Pomerania . Herausgegeben von Kosegarten , Greifswalde 1816 . 2 Bände . I , 6 ; II , 404 .
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