Volltext: Globus, 72.1897

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S. v. Wadenstjerna: Die nordisclien Festgebäckformen, namentlich die Weihnachtsbrote. 
sprüngliche Gestalt eines Kalbes gehabt haben und als 
Ersatz für das eigentliche Opfertier benutzt worden 
sein (Fig. 1 u. 2). 
Nach den Chroniken scheinen Hekatombenopfer im 
Norden niemals üblich gewesen zu sein, ja seihst Opfer 
eines einzelnen Stückes Rindvieh kommen selten vor, 
wohl weil das Rind ein geheiligtes 
Tier gewesen. Diese Voraussetzung 
wird auch durch die Mythe von der 
Urkuh Ödhumbla bestätigt. Tacitus 
(Germania 40) schreibt, dafs bei 
den Germanen der Wagen der Erd 
göttin Nerthus von Kühen gezogen 
worden. Der schwedische König 
Osten Bele und König Oegwaldr in 
Norwegen sollen Kuhanbeter ge 
wesen sein. 
Aus der jetzigen Form der „jul- 
kuse“ läfst sich allerdings schwer 
die Gestalt eines Kalbes herausfinden, 
wenn nicht die vier schneckenartigen Windungen die 
Beine andeuten sollen. Ein zweites oft vorkommendes 
Weihnachtsgebäck lieifst julbocken — Julbock, welche 
Benennung mit Thor in Verbindung gebracht wird. Dem 
Bocke wird aufser der Rolle, die er als ein dem Thor 
geheiligtes Tier einnimmt, auch die Kraft der Förderung 
der Fruchtbarkeit und des Wachstums zugeschrieben. 
War das eben beschriebene Brot vorwiegend dem die 
Erde befruchtenden Gotte der Luft und der Wolken 
geheiligt, so wurde das j ul galt, Julschwein, der Mutter 
Erde geweiht, wenngleich es später der Besitz des 
Sonnengottes wird (Fig. 3). 
Uber die religiöse Bedeutung des Schweines bei 
germanischen Völkern finden sich mannigfache Beweise. 
Wir erinnern an Gullinbursti, das Schwein mit den gol 
denen Borsten, welches die unterirdischen Zwerge ver 
fertigt und der Freia geschenkt. Den Helmkamm findet 
man häufig mit dem Bildnis eines Schweines verziert, 
daher der Helm auch von den Sängern Hildisvin, Hildi- 
göltr, d. h. Kampfschwein, Schlachtenschwein benannt. 
Als Erklärung, weshalb das Bildnis des Schweines mit 
in den Krieg genommen wird, gilt der Glaube, dafs es 
schützend und glückbringend wirkt. Der Grund, weshalb 
die Skandinavier besonders zu Weihnachten das Schwein als 
heilig und unentbehrlich halten, ist folgender: In Dänemark 
lebte ein König namens Hedreck, welcher den Gott Frej an 
betete und ihm das gröfste Schwein gelobte. Am Weih 
nachtsabend wurde das Schwein in die Halle vor den König 
geführt und alle Männer legten ihre Hände auf seine 
Borsten, die heiligsten Eide und Versprechen ablegend. 
Einen Auklang an diese Sitte finden wir in dem auf so 
manchen Weihnachtstischen vorkommenden gebratenen 
Ferkel mit einem 
Apfel im Maule, 
welche Sitte all 
mählich in einen 
einfachen Schin 
ken oder in das 
Hinlegen von 
Fig. 2 . Julkuse. blofsem Speck 
übergegangen. 
Ein fernerer Ersatz für das vorhin erwähnte Schwein 
sind die Brote. Was die Form derselben anbelangt, so 
ist sie eine sehr verschiedene. Manchmal ist es eine 
liegende, recht naturgetreue Nachahmung desselben, 
oft ist es blofs ein ovales Brot, welches nur die Be 
zeichnung trägt und während der ganzen Festzeit un 
berührt auf dem Tische liegt (Fig. 4). 
Auch aufserhalb Schwedens ist diese Sitte bekannt. 
In Estland und auf Ösel ist es Sitte, dafs die Haus 
mutter ein aus feinem Mehl gebackenes, ungefähr eine 
Elle langes, mit Nase, Mund und Ohren versehenes Ge 
bäck, ein Schwein darstellend, auf den Weihnachtstisch 
legt, auf dasselbe mit Kreide einen Ring mit einem 
Kreuz, das uralte Zeichen der Sonne, 
macht, und es die Festzeit über un 
berührt stehen läfst. 
Von Julbroten mag hier noch 
schliefslich der Weihnachtshahn — 
jultuppen — erwähnt werden. In 
Smäland bedient man sich zum Backen 
dieses Brotes einer aus Holz gear 
beiteten Form, einen Hahn darstel 
lend, in Deutschland findet man For 
men verschiedener Art. Was die reli 
giöse Bedeutung des Hahnes anbelangt, 
so wird er als Sinnbild des Lichtes 
und des Lebens aufgefafst. Sobald er 
sich hören läfst, entweichen die bösen 
Geister der Finsternis und des Todes, 
dem Hahn, dem roten, entfliehen die Toten. Man findet 
ihn oft an der Wetterstange, auf der Maistange und 
Kirchturmspitze angebracht. Im westlichen Schweden 
und in Norwegen findet man altertümliche Wandleuchter, 
an denen zwischen beiden Armen zwei Hähne angebracht 
sind, der eine aus Holz, der andere aus Eisen. 
Um auf die Bedeutung des Hahnes bei der Weih 
nachtsfeier zurückzukommen, sei erwähnt, dafs in Spanien 
in der Weihnachtsnacht eine Messe, die sogenannte 
misa de Gallo, gehalten wird, mit welcher, nach einer 
arabischen Urkunde aus dem 11 . Jahrhundert, die Sitte 
verbunden war, die Hähne auf die 
grausamste Art zu peinigen und ihnen 
schliefslich den Hals umzudrehen, 
weil Petrus beim Hahnengeschrei 
seinen Herrn und Heiland verleugnet 
hatte. Es scheint, als ob in dieser 
rohen Sitte noch die Überreste eines 
heidnischen Opfers zu finden sind, der man blofs ver 
sucht hat, eine christliche Bedeutung beizulegen. 
Aufser den Opfertieren wurden den Göttern auch 
Sinnbilder und Zeichen geweiht und unter ihren Schutz 
gestellt. Solche versinnbildlichte Opfergaben findet man 
auch unter den Formen der Julbrote. Da ist z. B. der 
gullvagn — Goldwagen (Fig. 5). Diese Bezeichnung 
führt uns zu der Vermutung, dafs hiermit der goldene 
Wagen gemeint, auf dem der Sonnengott dahinfährt. 
In Smäland wird dieses Gebäck mit Malz gebacken, in 
Uppland thut man Safran hinzu und schmückt es mit 
fünf Rosinen, eine in der 
Mitte und je eine an den 
vier Ecken. 
Ferner ist noch das vier- 
speichige Rad eine vielver 
breitete Julbrotform. 
Die häufige, sinnbildliche 
Anwendung des „hjul = 
Rad“ zum Weihnachtsfeste 
führt zu dem Gedanken, 
dafs das Wort jul aus hjul 
entstanden, ebenso wie das 
lateinische Wort annus 
aus dem annulus = Ring 
entstanden ist. Neben den Ringkreuzbroten wurden und 
werden auch blofse Ringe und Kränze gebacken. 
Endlich mufs noch des Weihnachtsbrotes, eine 
menschliche Figur darstellend, gedacht werden. 
Oft findet man eine weibliche Gestalt, doch ohne genaueres 
Fig. 1 . Julkuse. 
Fig. 3. Julgalt 
(Julschwein). 
Es heifst: Vor 
Fig. 4. Julgris 
(Julschwein).
	        
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