GLOBUS.
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE.
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND".
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. >g*§4 VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN.
Bd. LXXII. Nr. 12.
BRAUNSCHWEIG.
25. September 1897.
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet.
Zur Vierhundertjahrfeier Vasco da Garnas und der Entdeckung
des Seewegs nach Ostindien.
Von Dr. Hubert Jansen. (Nach Prof. Dr. Tomascheks Festschrift 1 ).
Neben den Italienern waren die Portugiesen im 15.
Jahrhundert als Seefahrer und Entdecker aufgetreten,
um ihnen, ihren Meistern und Lehrern, in einer Reihe
ruhmvoller Expeditionen bald den Rang abzulaufen.
Seit den Tagen des Infanten Heinrich (des Seefahrers)
unternahmen sie zahlreiche Fahrten nach Süden, anfangs
zaghaft, bis zum Kap Bojadör, dann bis Kap Yerde,
Sierra Leone u. s. w., in der Hoffnung, das „dritte
Indien“ (das christliche Äthiopien des Erzpriesters
Johannes) aufzufinden. Die Erreichung des wirklichen
Endzieles — Indiens — war nur eine Frage der Zeit
und der Ausdauer. Schon 1486 hatte Bartholomeus
Dias das Südkap Afrikas umsegelt, allerdings infolge
eines Sturmes; er landete in der Algoabai. Seit seiner
Rückkehr (Dezember 1487) geschah seitens der Portu
giesen nichts mehr zur Fortsetzung ihrer Entdeckungen,
bis die Entdeckung Amerikas durch die Spanier ihren
Eifer wieder anfachte.
1498, am 20. Mai — so lernt und liest man ja oft
— landete der Portugiese Vasco da Gama, der am
8. Juli 1497 vom Tejo seine Entdeckungsfahrt ange
treten hatte, in Köliköd(u) (arabisch Käliküt oder Qali-
qut, englisch Calicut) an der Malabarküste Indiens und
vollendete so seine Entdeckung des Seeweges nach
Indien. Wenn er aber auch erst 1498 in Indien gelan
det ist, so fällt doch die thatsächliche Erreichung seines
Zieles: Entdeckung des Seeweges nach Indien
um das Kap der guten Hoffnung, nicht in 1498,
sondern in das Jahr 1497. Am 22. November 1497
trug ein günstiger Wind ihn um das gefürchtete Kap,
und damit war seine schwierigste Aufgabe schon gelöst:
denn gering war die Mühe, sich am Ostrande Afrikas
bis nach Mofsambik hinaufzutasten, wo er am 1. März
1498 anlegte. Für die weitere Fahrt erhielt er in dem
nahe gelegenen Malinda einen arabischen Lotsen,
unter dessen zuverlässiger ^Führung er mit dem Südwest
monsun in 23 Tagen nach Kalikut gelangte, dem
gröfsten damaligen Gewürzhafen des Morgenlandes. An
1 ) Die topographischen Kapitel des indischen Seespiegels
Mohit, übersetzt von Dr. Maximilian Bittner, Privat-
docenten an der k. k. Universität in Wien, mit einer Einleitung
sowie mit 30 Tafeln versehen von Dr. Wilhelm Tomaschek,
Professor der Geographie an der k. k. Universität in Wien.
Festschrift zur Erinnerung an die Eröffnung des Seeweges
nach Ostindien durch Vasco da Gama (1497), herausgegeben
von der k. k. Geographischen Gesellschaft in Wien. — Wien
1897. — [VI 92 Seiten Text -f- 28 Kartenblätter (mit 30
Tafeln) in Gr.-Folio.]
Globus LXXII. Nr. 12.
der Küste von Mofsambik hörten also die portugiesischen
Entdeckungen auf; denn von hier bis Indien, China
und Japan bestand seit uralter Zeit ein geregelter
Schiffsverkehr.
Mit Recht haben also die Portugiesen die Vier
hundert^ ahrfeier Vasco da Gamas bezw. der Ent
deckung des Seeweges nach Indien in das Jahr 1897
gelegt. Mit einer schönen Festgabe zu dieser Feier
kommen auch die Germanen: die k. k. Geographische
Gesellschaft in Wien bringt der portugiesischen Nation
die prächtig ausgestattete Festschrift dar, deren Titel
in Anmerkung 1 angegeben ist.
Die getreue Übersetzung der betreffenden Mohit 2 )-
kapitel durch Dr. Bittner (40 Seiten Folio), die gehalt
reiche Einleitung des Professors Dr. Tomaschek (49
Seiten Folio) und die zahlreichen, sauber ausgeführten
Karten machen diese Festschrift zu einem geo
graphischen Ereignis, das für jeden Gebildeten von
Belang ist, auch wenn er Bittners gediegener Über
setzung — die ja für Fachleute: Seefahrer, Geographen
und Astronomen, von gröfster Wichtigkeit ist — weniger
Interesse abgewinnt. Die beigegebenen, auf Grund teils
der Angaben des Mohit, teils der alten portugiesischen
Karten, teils einiger anderer alter Quellen von Toma
schek entworfenen 30 Kartenbilder ermöglichen es uns,
zwischen den kartographischen Leistungen des Morgen-
und des Abendlandes einen Vergleich zu ziehen, und die
ganze Festschrift setzt uns* in den Stand — wenn auch
blofs mittelbar —, die Wichtigkeit und Bedeutung der
ersten Fahrt da Gamas sowie aller nachfolgenden
portugiesischen Neu- und Wiederentdeckungen zu er
messen.
Der Verfasser des Mohit (oder „indischen Seespiegels“,
wie Tomaschek den Titel frei wiedergiebt) war(Sayyidi,
Saidl, oder in gewöhnlicher Aussprache) Sidi 'Ali ben-
Husain 2 ), bekannt unter dem Namen „Kätib-i Rümi“
2 ) Der Leser wolle sicli folgende Art der Umschrift
merken:
ä, ö, l, usw. = langes unbetontes a, o, i, usw.; — ä usw.
= langes betontes a usw.; — c = tsch (= engl, ch); —
g = dsch (=: engl, j); — kh = ch in Rache; s = deut
schem sch; — y — deutschem j ; — z = deutschem s in
lesen; — d, h, s, t usw. bezeichnen von den entsprechenden
deutschen (d, h, s, t usw.) etwas abweichende stärkere Laute;
— c (umgekehrter Apostroph) bezeichnet einen Ächzlaut (einen
verstärkten Spiritus ienis); — ~ über Vokalen bezeichnet deren
Nasalität (wie im Französischen, Portugiesischen, Indischen
und Schwäbischen).
23