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Volltext: Globus, 72.1897

Aus allen Erdteilen. 
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Blutrache, und steht hier oft angeborener Bruderschaft voran. 
Vereinzelt gehen Erbstücke (Geschenke) an die Adoptivperson, 
zuweilen den -stamm über. Sexualrechtlich steht die „künst 
liche Verwandtschaft“ als Hindernis jeder Verbindung so 
hoch , dafs selbst Eheleute behufs gütlicher Scheidung zum 
Mittel der Verbrüderung greifen, um sofort dirimiert zu 
sein. Aufser formal durch Speise oder Kelch, durch Bluts 
tausch, Waffen oder Amuletwechsel geschlossen, entsteht sie 
auch ipso jure durch Milchkindschaft, gemeinsame Pilger 
schaft, Jordanbad, Brautführerschaft (Cognatio spiritualis?). 
— Zu wünschen wären noch bestimmtere Nachrichten über 
die N o t brüderschaft: Beschwörungsworte („Gott und heiliger 
Johann“) sollen den Angerufenen zur Hülfe in der Not 
„zwingen“ können (arabische und beduinische Analogieen sind 
beigezogen); vom Mädchen in der Not gegen den Angreifer 
selbst angewendet, können sie diesen — „wenn er einwilligt“ — 
zum Blutsbruder und ungefährlich machen. — Kuriosa sind: 
Einjähriges Geschwisterwahlverhältnis in Serbien durch 
Ostereiergeschenk; erinnert an unser Vielliebchenschmollis. 
— Seite 63: Ein Priester im montenegrinischen Grenzdorf 
weiht sechs Nachbarn eines gemordeten Mädchens zu dessen 
Blutsbrüdern, zum Zweck strenger Blutrache an den schul 
digen Dalmatiern. — Seite 46: Bulgarischer Priester kate- 
chisiert die Brüderschaftskandidaten: ob sie glauben an Gott 
den Vater, den Sohn, den Heiligen Geist, an das Evangelium 
und an das Feuer (sic! dreimal!). 
Auf Verarbeitung, Ergänzung (hoffentlich auch genügende 
Einteilung) des Materials läfst der philologisch doktorierende 
Herr Verfasser in späteren Ausführungen hoffen. 
Mannheim. v. Freydorf. 
James Mooney: The Ghost-Dance Religion and the 
Sioux Outbreak ofl89 0. (Extract-from the fourteenth 
Annual Report of the Bureau of Ethnology.) Washington 
1896. 
Auf nahezu 600 Seiten, versehen mit 37 Tafeln und 48 
Abbildungen , liefert uns hier Mooney eine ausgezeichnete 
Monographie des grofsen Wiedererwachens altindianischen 
Glaubens, der im Jahre 1890 den Westen der Vereinigten 
Staaten beunruhigte und mit dem Namen der „Geistertanz 
religion“ bezeichnet wird. Ähnliche „Revivals“, bei denen 
die Suggestion eine grofse Rolle spielt und die unter das 
Hauptstück von den psychischen Seuchen gehören, sind bei 
den Kultur- wie Naturvölkern vielfach beobachtet worden. 
Die Hau - Hau-Religion der Neuseeländer, die vor etwa 40 
Jahren die Doppelinsel in Aufregung versetzte, bietet viel 
fache Analogieen zu der Geistertanzreligion der Indianer, in 
der sich die Hoffnung auf Wiederkehr der „guten alten Zeit“, 
d. h. der Zeit vor der Ankunft der Weifsen und vor der Aus 
rottung der Büffel, aussprach. 
Mooney, bekannt als hervorragender Erforscher der In 
dianei-, hat alle die verschiedenen Stämme besucht, die 1890 
der merkwürdigen Bewegung sich anschlossen und da er das 
Vertrauen der Leute zu gewinnen wufste und deren Sprache 
redete, so ist es ihm gelungen, die Geheimnisse der Geister 
tanzreligion zu erforschen und eine Geschichte derselben zu 
schreiben, die vielfach von dem bisher bekannt gewordenen 
abweicht. Der tiefere Inhalt der neuen Religion war ein 
messianischer Glaube, die Hoffnung auf eine Wiederkehr des 
goldenen Zeitalters. Alle Indianer, die gestorben wären, 
würden sich wieder. aus ihren Gräbern erheben und ein ewiges 
Leben auf einer neuen, schönen Erde führen. So ging die 
Lehre von Stamm zu Stamm, aber eine Vertilgung oder Ver 
treibung der Weifsen lag nicht im ursprünglichen Programme. 
Die Hoffnung auf das Wiederemporblühen der Rothäute ist 
schon öfter von indianischen Propheten ausgesprochen, wobei 
sie als eine Vorbedingung die Abstinenz von allem hin 
stellten , was von den weifsen Menschen herrührte. Bei der 
Geistertanzreligion handelte es sich aufserdem um merkwür 
dige Tänze und Gesänge, die ihren Ursprung im Westen der 
Vereinigten Staaten genommen hatten und die genau be 
schrieben und abgebildet werden. Erst später, bei den Sioux, 
trat die Feindschaft gegen die Weifsen hinzu und führte zu 
dem schrecklichen Blutbade von Wounded Knee, wo 200 
Weiber und Kinder von den amerikanischen Truppen hinge 
schlachtet wurden. 
Aufser der Schilderung der Geistertanzreligion und ikx-er 
Ausbreitung bringt das Werk aber noch eine Menge wert- 
vollen ethnographischen Stoffes. Eine kui-ze Besprechung, 
wie die vorliegende, kann ihm nicht gerecht werden ; dazu 
würde es langer Auszüge bedürfen. 
Aus allen Erdteilen. 
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet. 
— Am 4. Juni hat die chinesische Regierung den unteren 
Lauf des Sikiang oder Westflusses, welcher bei Kanton 
mündet, dem fremden Handel eröffnet, womit ein unmittel 
barer Verti-ieb europäischer Wai-en nach dem chinesischen 
Süden möglich wird, welcher bisher wesentlich in den Händen 
der Franzosen von Tonking aus lag. Indessen ist nicht der 
ganze untere Sikiang dem Handel freigegebensondern nur 
eine Anzahl Städte an demselben sind eröffnet. Am fernsten 
stromaufwärts liegt unter diesen Wutschau, schon in der 
Provinz Kwangsi, doch ganz nahe der Grenze von Kwang- 
. tung. Weiter abwäi-ts ist Samschui freigegeben, dessen Name 
soviel wie Coblenz, Zusammenflufs, bedeutet, da hier der 
Sikiang von Norden her den Pekiang aufnimmt und zahl- 
reiche Kanäle und Nebenarme nach Kanton hinführen. Den 
Fremden ist es auch gestattet, in den Flufshäfen von Taking, 
Hsiuhing, Kumtsckuk und Kongmun Güter zu landen und zu 
verkaufen, doch dürfen sie daselbst keine Etablissements er- 
l-ichten. 
— Über die geographische Verbreitung der See 
säugetiere sprach Prof. Sclater am 16. März d. J. vor 
der Zoological Society in London. Wassei-säugetiere, die ihr 
Leben ganz oder zum gröfsten Teile im Wasser verbringen, 
untei-liegen in Bezug auf ihre geographische Verbreitung 
ganz anderen Gesetzen als die Landsäugetiere. Land bildet 
eine unüberschreitbare Schranke für ihre Ausbreitung. 
Gegenwärtig leben auf der Erde drei Gruppen von Seesäuge- 
tiei’en. l.Die Pinnipedier, welche die Seehunde und Vei - - 
wandte umfassen, die halb Wasser-, halb Landsäugetiere zu 
nennen sind. 2. Die Sirenen, die hauptsächlich im Wasser 
leben, und 3. die Cetaceen, die ausschliefslich im Wassei 
leben. 
Viele dieser Seesäugetiere haben eine weite Verbreitung, 
andere ein sehr begrenztes Vorkommen. Auf Grund des 
Studiums des letzteren schlägt Sclater vor, wie er bereits 
1874 für die Landsäugetiere Landregionen angenommen, die 
oceanischen Teile der Erde in folgende sechs See 
regionen einzuteilen: 
1. Die nordatlantische Seeregion oder Arctatlan- 
tis, bestehend aus dem nördlichen Teil des Atlantischen 
Oceans bis hinab zum 40. Grad nördl. Br. 
Topomorpli, d. h. ausschliefslich hier voi'kommend, führt 
Sclater von den Pinnipedien die Gattungen Halichoenis und 
Cystophora an. Die Sirenen sind „lipomorph“, d. h. fehlen 
gänzlich. Von den Zahnwalen (Odontoceten) sind die 
Gattungen Hyperoodon, Delphinapterus und Monodon topo- 
morph. 
2. Die mittelatlantische Seeregion oder Mesatlan- 
tis, bestehend aus dem mittleren Teil des Atlantischen Oceans 
bis herunter zum Wendekreis des Steinbocks, mit den topo- 
morphen Gattungen Monachus und Manatus; aufsei-dem ver 
schiedene Cetaceen. 
3. Die indische Seeregion oder Indopelagia, um- 
fafst den Indischen Ocean bis ungefähr zu demselben Grad 
südl. Br. und erstreckt sich von der Küste von Afrika im 
Westen bis nach Australien und den grofsen Südseeinseln im 
Osten. Die Pinnipedier fehlen hier gänzlich, von den Sii-enen 
ist Halicore topomorph. Drei Wale und zahli-eiche Del 
phinarten. 
4. Die nordpacifische Seeregion oder Arctirenia 
umfafst den nördlichen Teil des Stillen Oceans bis herab 
zum Wendeki-eis des Krebses. Neben di-ei anderen Ax-ten 
kommen als topomorphe Arten Phoca fasciata, sowie drei 
Arten von Ohreixx-obben (Otariidae) vor. Früher kam auch 
die berühmte Stellex-sche Seekuh (Rhytina Stelleri) in dieser 
Region vor. Von Walen ist Rliachianectes glaucus topomox-ph. 
Daneben drei andere Gattungen von Walen und viele Del 
phinarten. 
5. Die mittelpacifiscke Seeregion oder Mesirenia 
umfafst den zwischen den Wendekreisen liegenden Teil des 
Stillen Oceans. Früher kamen Ohrenrobben und See-Ele- 
fantexx (Macrorhinus) in dem Gebiet vor, jetzt sind nur 
fünf Gattungen von Walen und zahlreiche Delphinartexx aus 
demselben bekannt. 
6. Die südliche Seeregion oder Notop ela gia 
umfafst den Südpolarocean rund um die Erde südlich von
	        
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