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v. Grünau: Ein Ritt queUdurc'h Korea.
Kratzen an Kopf und Schenkelbein“. (Frei nach Ubland.)
Alles wälzt sich in unruhigem Schlafe und besonders an
mir hatten die freundlichen Tierchen grofsen Gefallen.
Am folgenden Tage ging es weiter südwärts längs der
Küste auf einem leidlichen Fufspfade. Landschaftlich
reizend, die ganze RivieraL Der herrliche Sonnenschein,
das blaue Meer, die Berge über und über mit blühenden
Azaleen bedeckt, die wie Nester an Felsen und engen
Schluchten klebenden kleinen Hirten- und Fischerdörfer,
es war alles malerisch. Abends kam ich nach Tongch’ön.
Der Ort ist auf der Karte etwa 4 bis 5 km vom Meere
entfernt gezeichnet, doch liegt er dicht daran. Ich
wohnte bei einem Tischler, wurde sehr gastfreundlich
aufgenommen, aber ebenso auch von den Wanzen und
Flöhen. (Am Morgen über 20 Wanzen im Bett.) Dann
folgte ich der Küste für einen weiteren Tag, um nicht
den gewöhnlichen Pafs, den schon ein Europäer über
schritten hat, zu nehmen, sondern den schwierigen süd
lichen , der nur hier und da von Koreanern begangen
wird. Ich hatte auch die gröfsten Schwierigkeiten.
Felsiger Weg, die reinsten Treppen, Urwald zu beiden
Seiten. Die Pferde mufsten oft geschoben werden. Oben
war der Pafs so eng, dafs die beladenen Tiere nicht
durch konnten, sondern ahgeladen werden mufsten. Dann
traf ich Schnee, in dem wir vorwärts stampften, und
dazu glühende Hitze. Die Gegend ist menschenleer.
Stunden und Stunden wanderten wir, ohne einem Men
schen zu begegnen. Gegen 1 / 2 5 Uhr kamen wir jenseits des
Passes in einem kleinen Gebirgsdorfe an; ich hielt, um die
Nachthier zuzubringen. Einen Europäer hatten die
Leute noch nie gesehen. Völlig fremd waren ihnen
auch u. a. Uhren, Lichter, Zucker, Blechgefäfse, Leder,
europäische Stoffe u. s. w. Aber ein nettes, freundliches
Völkchen! Ich stieg im besten Hause ab; alles wurde
mir bereitwilligst zur Verfügung gestellt. Als ich mich
nach einem Bade im Bache in Pudjamas in meinem
Feldstuhl streckte, da kamen die Leute alle in ihren
weifsen Kleidern (der Koreaner trägt nur weifs), hockten
sich um mich herum und bewunderten alles, besonders
auch die Kochkünste meines alten chinesischen Boys.
Als ich nun einen deutschen Walzer anfing zu pfeifen,
da hockte sich alles noch näher um mich herum und
bald wiegte sich die ganze Gesellschaft in den Hüften
im Takte. Ich dachte: „0 du lieber Augustin“ ist besser
verständlich und hatte damit das richtige getroffen. Ich
mufste mehr denn 20 mal dasselbe wiederholen, bis
einige der Gescheiteren es leidlich richtig nachsummen
konnten. Es war reizend. Mitten im Lande, diese
lieben Leute, die wie Kinder sind, keine Sorgen, keine
Telegramme, herrliche Gegend, ein wonniges Gefühl be
ginnender Müdigkeit, dazu ein ge
bratenes Huhn mit Reis, eine halbe
Flasche Mumm, es war ideal; ich
wäre am liebsten geblieben. Ich
setzte am folgenden Morgen meinen
Ritt weiter westwärts längs eines
Flusses fort, der auf keiner Karte
verzeichnet ist. Das Thal ist von
steilen Bergwänden eingeschlossen,
ich konnte interessante Gestein
beobachtungen machen. (Mit den
Pflanzen hatte ich kein Glück, ob
gleich ich dafür ausgerüstet war.)
Ich verritt mich und wufste nicht
mehr, wo ich war, immer und
immer kam ich wieder an denselben
Platz. Nirgends ein Mensch, den
man fragen kann.
Ich orientierte mich nochmals
genau mit Kompafspeilungen,
Wegeroute u. s. w. auf der Karte
und schlug dann südwestliche
Richtung ein, koste es was es
koste, wir müssen vorwärts! Uber
kahle Hügel geht es steil den wege
losen Berg hinauf, ich immer vor
aus, mein Pony am Zügel hinterher.
Oben bergab in ein kleines Thal,
dann wieder hinauf. Wie ich
oben ankomme, bietet sich mir ein
entzückender Blick. Tief unten
ein rauschender Bach, ein breites
Thal, in dem sich menschliche
Wohnungen befinden. Die ein-
schliefsenden Berge sind bewaldet
mit stämmigen Eichen und schönen Fichten. Es war
nach all den Mühen und Strapazen, Aufregungen und
Entbehrungen, — wir hatten seit heute früh 5 Uhr
noch nichts genossen — eine Befriedigung, eine solche
Aussicht zu geniefsen. Und nun bergab. Kein Weg,
nur Felsen und Felsen. Es war eine harte Arbeit. Bei
einem kleinen Bauernhause machten wir Rast, um die
Pferde zu füttern und uns selbst auszuruhen. Endlich
finde ich einen Weg, dem ich folge, um dann die Nacht in
einem reizenden kleinen Dorfe zuzubringen. Wie immer
wurde ich hier als etwas Neues, nie Gesehenes betrachtet
und so gastlich und freundlich aufgenommen, wie es
einem Menschen nur passieren kann. Am folgenden
Tage komme ich auf bekanntes Gebiet, auf die grofse
Strafse nach Chang an Sä, dem berühmten Kloster, welches
schon, mich eingerechnet , von elf Europäern besucht
worden ist. In Korea kann man schon einen Weg von
1 m Breite eine grofse Strafse nennen, da es keine Wagen